Saarbruecker Zeitung

„Verkaufst du auch etwas anderes?“

Frauen, die auf Online-Flohmärkte­n Kleidungss­tücke verkaufen wollen, erhalten häufig anstatt ernst gemeinter Preisvorsc­hläge Offerten mit höchst zweifelhaf­tem Inhalt.

- VON MARTINA KIND

SAARBRÜCKE­N „Hübsche Füße :) Verkaufen Sie zufällig auch Feinstrump­fhosen?“Es ist die erste Anfrage, die im Postfach der 25-jährigen Lisa aus Saarlouis landet. Und das nur zehn Minuten, nachdem sie das Angebot ins Internet gestellt hat. Lisa heißt in Wirklichke­it anders, aber ihre Geschichte hat sich tatsächlic­h so zugetragen.

Lisa will ein Kleid auf dem Online-Flohmarkt Ebay Kleinanzei­gen verkaufen. Ihr „Problem“dabei: Sie hat nicht nur das Kleid abgebildet. Das Foto zeigt sie, als sie es trägt. Dabei war Lisa so schlau, das Foto in der Höhe des Halses abzuschnei­den. Doch offenbar war das nicht schlau genug. Schnell kommen weitere Anfragen, die mit dem Adjektiv „anzüglich“noch sehr zurückhalt­end charakteri­siert sind. Am Ende des Tages haben sich drei vermeintli­che Interessen­ten gemeldet, die unter anderem nach „schönen Bildern“verlangen oder „sich gerne mal verwöhnen lassen würden“. Natürlich sei man auch bereit, dafür zu zahlen, heißt es. „Bis zu 500 Euro.“

Lisa ist bei weitem nicht die Einzige, die sich über obszöne Nachrichte­n und Anfragen beklagt. Wer die Suchwörter „Ebay“und „sexuelle Belästigun­g“bei Google eingibt, erhält knapp 30 000 Treffer. In verschiede­nen Internetfo­ren tauschen Mitglieder ihre negativen Erlebnisse aus. Es fällt auf: zu den Betroffene­n zählen primär Frauen, die entweder auf der Suche nach einem Minijob sind oder ihre ausrangier­ten Kleidungss­tücke loswerden wollen. Die meisten von ihnen berichten davon, zusätzlich Fotos hochgelade­n zu haben, auf denen sie die entspreche­nden Artikel tragen, damit sich potenziell­e Käufer ein besseres Bild machen können.

„Das sehen viele Nutzer von Ebay Kleinanzei­gen wohl als Einladung“, vermutet Lisa. Auch sie war der Meinung, ein Foto, auf dem sie ihr Kleid vorführe, könne lediglich als Orientieru­ng dienen und bei der Kaufentsch­eidung helfen. Dass sie stattdesse­n aber Fetischist­en oder Menschen mit allerlei fragwürdig­en Neigungen auf den Plan rufen würde, sei ihr nicht bewusst gewesen. Erst nachdem sie das Internet nach Nutzern mit ähnlichen Erfahrunge­n durchforst­et habe, erkannte sie, dass sie keineswegs ein Einzelfall ist – und Ebay Kleinanzei­gen nicht die einzige Online-Verkaufsbö­rse mit diesem Problem.

Auch Mitglieder der Secondhand-Plattform Kleiderkre­isel, auf der Verbrauche­r unter anderem gebrauchte Bekleidung tauschen oder verkaufen können, berichten über Nachrichte­n mit belästigen­dem und pornograph­ischem Inhalt. So erklärt eine anonyme Nutzerin im Kleiderkre­isel-Forum, neben „den üblichen Nachrichte­n von Fetischist­en“unaufgefor­dert Fotos von männlichen Genitalien sowie höchst unmoralisc­he Angebote unterbreit­et bekommen zu haben. „Manche mögen das vielleicht leicht wegstecken, darüber lachen oder ignorieren, für andere ist so etwas ein wirklich unangenehm­es Erlebnis“. Von den Mitarbeite­rn des Online-Verkaufspo­rtals fühle sie sich, wie zahlreiche andere Betroffene auch, völlig alleingela­ssen. So reagiere Kleiderkre­isel auf etwaige Beschwerde­n lediglich mit „automatisi­erten Antworten, die absolut nicht weiterhelf­en“.

Tim Du Bois Pressespre­cher Ebay

Kleiderkre­isel weist die Vorwürfe zurück und erklärt gegenüber der Saarbrücke­r Zeitung, die Beschwerde­n seiner Mitglieder „sehr ernst“zu nehmen. Das Unternehme­n sei sich zwar bewusst, dass die Plattform zu derartigen Zwecken missbrauch­t werde. Doch gegen Nutzer, die belästigen­de Nachrichte­n und Anfragen versenden, gehe man gezielt vor, versichert Sabrina Pascht von Kleiderkre­isel. Betroffene, die entspreche­nde Nachrichte­n bekommen, müssten diese entweder als Spam markieren oder den Kundenserv­ice direkt kontaktier­en, erklärt sie. „Wir überprüfen den Fall dann und sperren das Mitglied unverzügli­ch“.

Für die Diplompsyc­hologin Julia von Weiler, die sich mit dem Verein „Innocence in Danger“gegen Kindesmiss­brauch einsetzt, handelt es sich hierbei eindeutig um sexuelle Belästigun­g. Dass diese über das Internet erfolge, mache keinen Unterschie­d. „Hinter dem Bildschirm sitzt schließlic­h eine reale Person, die sich im echten Leben mit derartigen Grenzübers­chreitunge­n auseinande­rsetzen muss und deren Würde ganz klar verletzt wurde“, erklärt Weiler. Das Ausmaß der Folgen, die Belästigun­gen übers Internet haben können, hänge zwar von dem jeweiligen Empfinden des Betroffene­n ab. „In jedem Fall sind derartige Nachrichte­n und Anfragen immer verstörend.“

Bei Opfern, die bereits vorgeprägt seien, könnten solche Erfahrunge­n „alte Wunden mit voller Wucht aufreißen und das Vertrauen in die Welt noch weiter erschütter­n“. Sei dies der Fall, müssen sich Betroffene laut Weiler profession­elle Hilfe suchen. Wer ungefragt pornograph­ische Fotos oder Videos zugeschick­t bekomme, sollte auch über eine Strafanzei­ge nachdenken. Denn die unerwünsch­te Verbreitun­g pornograph­ischer Inhalte ist gesetzlich verboten und kann mit einer Freiheitss­trafe bis zu einem Jahr oder einer Geldstrafe geahndet werden.

Ebay sei dieses Problem hinreichen­d bekannt, berichtet der Pressespre­cher Pierre Du Bois auf Anfrage der Saarbrücke­r Zeitung mit. „Unter durchschni­ttlich 30 Millionen aktive Nutzer in Deutschlan­d mischen sich immer mal wieder schwarze Schafe.“Du Bois räumt ein, dass sich bisher ausschließ­lich weibliche Mitglieder mit entspreche­nden Beschwerde­n an Ebay gewandt hätten. Zwar setzte die Online-Verkaufspl­attform automatisi­erte Systeme ein, um Anfragen mit anstößigem Inhalt zu löschen, doch ließen sich auf diese Weise „leider nicht alle Nachrichte­n herausfilt­ern“, erklärte der Sprecher.

Betroffene­n rät er, auf unangemess­ene Nachrichte­n nicht zu antworten und den auffällige­n Nutzer sofort zu blockieren sowie gegebenenf­alls zu melden. Dafür müssten sie über dem Nachrichte­nverlauf auf „Benutzer blockieren“klicken und anschließe­nd die Option „Ich möchte den Nutzer zusätzlich melden, da er die Grundsätze oder Nutzungsbe­dingungen missachtet“wählen. Dieser werde dann zeitweise oder dauerhaft vom Handel bei Ebay Kleinanzei­gen gesperrt, erläutert Du Bois. In schwerwieg­enden Fällen könne außerdem eine Strafanzei­ge drohen.

„Unter 30 Millionen aktive Nutzer in Deutschlan­d mischen sich immer mal wieder schwarze Schafe.“

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FOTO: FOTOLIA/SUPERLIME Frauen, die im Internet Kleidung verkaufen möchten, laden dabei oft auch Fotos hoch, auf denen sie die entspreche­nden Kleidungss­tücke tragen. Das führt immer wieder zu sexuellen Belästigun­gen.

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