Masken im Kampf gegen Väterchen Frost
In Oberbayern wird der Spieß an Weiberfastnacht umgedreht: Hier treiben ausschließlich verkleidete Männer ihr Unwesen.
MITTENWALD (dpa) Behutsam wickeln die Männer die Seiden- und Moltontücher um ihre Köpfe. Dann setzen sie die Larve, eine handgeschnitzte Maske aus Holz auf ihr Gesicht und schlüpfen in bunte Gewänder. An ihrer Kopfbedeckung zupfen sie so lange, bis sie perfekt sitzt. Schließlich soll sie niemand am „Unsinnigen Donnerstag“erkennen. In der Hoffnung, dass sogar die eigene Frau in Verlegenheit kommt, verstellen die Maskenmänner, die hier als Maschkera bekannt sind, ihre Stimme. Aber Reden ist ohnehin nicht das Wichtigste an diesem besonderen Tag in Mittenwald. Stattdessen wird musiziert, getanzt und aus voller Kehle gesungen, um die bösen Geister der kalten Jahreszeit zu vertreiben und den Frühling einzuläuten.
Im äußersten Süden Deutschlands, am Fuß des Karwendel-Gebirges, folgt der Fasching strengen Regeln. Die sind schon seit Jahrhunderten überliefert. „Und daran wird auch nicht gerüttelt“, sagt Max Jungkunz, der Wirt der Brauereigaststätte „Postkellers“und bekennender Liebhaber der närrischen Zeit. Regel Nummer Eins: Obwohl der „Unsinnige Donnerstag“im Rest der Republik als Weiberfasching oder Weiberfastnacht bekannt ist, sind in Mittenwald nur Männer unterwegs. Frauen dürften sich nicht maskieren, sagt der Wirt. Weil es eben schon immer so war und es auch so bleiben soll.
Regel Nummer Zwei: Der ungewöhnliche Fasching dürfe nicht im Vorfeld organisiert werden. Die Maschkera verabreden sich vielmehr spontan und beginnen bereits im Januar von Wirtshaus zu Wirtshaus zu ziehen, wo ausgelassen gesungen und getanzt wird. An ein paar Spielregeln müssen sie sich dabei allerdings doch halten. So müsse beispielsweise der Dreikönigstag, also der 6. Januar, vorbei sein. Ausgang für die Maschkera gebe es außerdem nur an einem Montag, Dienstag oder Donnerstag, erklärt Jungkunz.
Seinen Höhepunkt erreicht das närrische Treiben am „Unsinnigen Donnerstag“mit dem 12-Uhr-Läuten der Pfarrkirche St. Peter und Paul. Dann springen zwölf Schellenrührer aus einem der ältesten Hauseingänge am Obermarkt in der Stadtmitte. Allen voran der „Vorläufer“, der den Zug führt. Die verhüllten Männer tragen kurze Lederhosen und Glocken, die bis zu 35 Kilogramm wiegen können, um ihre Hüften. Mit diesen läuten sie den Frühling ein, erklärt Ortsführerin Regine Ronge. Und danach ist erst einmal Chaos angesagt. Denn im Gegensatz zu den Rosenmontagszügen gibt es am „Unsinnigen Donnerstag“keine feste Strecke. So laufen alle kreuz und quer.
Immerhin ist die Arbeitsteilung klar geregelt: Die Schellenrührer schlagen die Glocken. Die Bärentreiber jagen Männer mit Bärenmasken vor sich her. Die Goaslschnalzer lassen die Peitschen knallen. Die Jacklschutzer schleppen den Winter als Strohpuppe (Hemadlenz) mit sich herum. Die Pfannenziacher haben eine gusseiserne Pfanne und ziehen den Fuhrmann hinter sich her. Und dann gibt es da noch die Bajazzl mit den freundlich dreinblickenden Masken, die immer wieder die Musik anstimmen. Höhepunkt des Spektakels ist die Verbrennung des am Galgen hängenden Hemadlenz – der symbolische Tod der kalten Jahreszeit.
Erst im nächsten Wirtshaus findet der Wahnsinn eine kurze Pause. Die Männer nehmen ihre närrischen Masken schließlich ab und geben sich zu erkennen. Die Larven werden am Kronleuchter aufgehängt. Dann heißt es: Brotzeit, ein paar Bier und dazu zünftige Musik, die die Feierwütigen erst richtig in Fahrt bringt. Und so geht das wilde Tre´iben weiter bis tief in die Nacht.