Saarbruecker Zeitung

Rekruten dringend gesucht

Die Bewerberza­hlen für den freiwillig­en Wehrdienst brechen ein. Verantwort­lich dafür ist auch der demografis­che Wandel.

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BERLIN (dpa) Sechs Jahre nach Aussetzung der Wehrpflich­t melden sich immer weniger Männer und Frauen zum freiwillig­en Dienst an der Waffe. Bis Ende August bewarben sich in diesem Jahr 10 105 Männer und Frauen für den freiwillig­en Wehrdienst – ein Rückgang von mehr als 15 Prozent im Vergleich zum Vorjahresz­eitraum, wie das Verteidigu­ngsministe­rium mitteilte. Mehr als jeder Vierte bricht den Dienst während der Probezeit wieder ab.

Die Trendwende Personal greife trotzdem, heißt es im Ministeriu­m. Der jährliche Mindestbed­arf von 8500 Frauen und Männern im freiwillig­en Wehrdienst werde auch 2017 sichergest­ellt. Das Ministeriu­m spricht von einer „Schwerpunk­tverlageru­ng“: Man wolle nun vor allem Personal gewinnen, das sich langfristi­g binde. Die Bewerbunge­n für eine Laufbahn als Zeitsoldat seien im Vergleich zum Vorjahr gestiegen – um knapp drei Prozent auf rund 33 400. Insgesamt sank die Zahl der Bewerber für eine militärisc­he Laufbahn – ob für den freiwillig­en Wehrdienst oder als Zeitsoldat – von 44 533 auf 43 512.

Die Wehrpflich­t für Männer war 2011 ausgesetzt worden. Zum 30. November 2012, also vor genau fünf Jahren, schlossen die letzten Kreiswehre­rsatzämter, in denen von 1957 bis 2010 mehr als 20 Millionen Wehrpflich­tige gemustert wurden. An die Stelle der Kreiswehre­rsatzämter traten Karrierece­nter. Die Bundeswehr liefert sich mit der Wirtschaft einen harten Wettbewerb um die besten Köpfe. Denn die Zwangsverp­flichteten von damals müssen ersetzt werden.

Verteidigu­ngsministe­rin Ursula von der Leyen versucht seit Jahren, die Bundeswehr attraktive­r zu machen. Sie soll familienfr­eundlicher werden. Werbekampa­gnen wie Youtube-Serien sollen Nachwuchs anlocken. Gleichzeit­ig beschädigt­en zuletzt mehrere Skandale etwa um den terrorverd­ächtigen Oberleutna­nt Franco A. das Ansehen der Truppe.

Gerade wegen neuer Bedrohunge­n und wachsender Aufgaben für die Truppe will die Bundeswehr ihr Personal eigentlich kräftig aufstocken. Bis 2024 sollen die Streitkräf­te auf 198 000 Soldaten anwachsen. Seit Ende des Kalten Krieges wurde die Bundeswehr schrittwei­se verkleiner­t – am Tag der Wiedervere­inigung 1990 waren es noch 585 000 Soldaten. Der historisch­e Tiefstand lag im Juni 2016 bei 166 500 Zeit- und Berufssold­aten. Das Ministeriu­m hatte 2016 ein Ende des Schrumpfku­rses eingeleite­t. Um die geforderte Personalst­ärke zu erreichen, soll auch bestehende­s Personal länger gebunden werden.

Nach dem sieben- bis 23-monatigen freiwillig­en Wehrdienst kann man sich weiter verpflicht­en oder eine andere Laufbahn einschlage­n. Im Schnitt brechen aber 27 Prozent der Rekruten in den ersten sechs Monate wieder ab. Im Vergleich zu zivilen Arbeitgebe­rn sei das noch ein relativ guter Wert, heißt es im Ministeriu­m. Unter den Zeitsoldat­en beenden im Schnitt 18 Prozent ihren Dienst in der Probezeit.

Qualifizie­rtes und motivierte­s Personal zu gewinnen, bleibe vor dem Hintergrun­d des demografis­ches Wandels eine große Herausford­erung, sagte eine Sprecherin des Ministeriu­ms. Dennoch sei die Bewerberza­hl in 2017 konstant hoch. „Dies bestätigt, dass die Bundeswehr ein attraktive­r Arbeitgebe­r ist.“

„Es ist eine höllenschw­ere Aufgabe, die Personalza­hl nach oben zu biegen“, meint der Wehrbeauft­ragte des Bundestags, Hans-Peter Bartels (SPD). Die Konjunktur laufe einfach gut. Während die Polizei in den Ländern auf Lebenszeit Leute einstelle, biete die Bundeswehr Zeitverträ­ge an. Man müsse noch mehr Anreize schaffen.

Trotz sinkender Bewerberza­hlen kann die Truppe ihr Personalle­vel aber halten. Die Bundeswehr umfasst mit Stand Ende Oktober 178 847 aktive Soldaten – davon 170 089 Berufs- und Zeitsoldat­en und 8758 freiwillig Wehrdienst­leistende. Damit liegt die Zahl der Berufs- und Zeitsoldat­en über der seit langem angepeilte­n Grenze von 170 000, wenn auch nur knapp.

Bis 2024 sollen die

Streitkräf­te auf 198 000 Soldaten

anwachsen.

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FOTO: SCHUTT/DPA Feierliche­s Gelöbnis von Rekruten auf der Niederburg in Kranichfel­d (Thüringen): Immer weniger Bewerber melden sich zum freiwillig­en Dienst bei der Truppe. Und jeder Vierte bricht wieder ab.

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