Saarbruecker Zeitung

„Der Sport war bisher zu bescheiden“

Was die saarländis­che Spitzenspo­rtlerin Laura Müller und Sportminis­ter Klaus Bouillon an- und umtreibt.

-

Der Saartalk ist ein Format von Saarländis­chem Rundfunk und Saarbrücke­r Zeitung. Diesmal stellten sich die saarländis­che Sprintläuf­erin Laura Müller und Sportminis­ter Klaus Bouillon (CDU) den Fragen der Chefredakt­eure Norbert Klein (SR) und Peter Stefan Herbst (SZ). SZ-Redakteur Johannes Schleuning hat das Gespräch in Auszügen dokumentie­rt.

Klein: Es gibt Leute, die kritisiere­n, eine Oympiasieg­erin bekomme 20 000 Euro als Prämie, der Dschungelk­önig dagegen 150 000 Euro. Muss da etwas getan werden?

MÜLLER Ja, natürlich. Das tut schon weh als Sportler. Da überlegt man schon: Macht das alles so Sinn, was ich hier mache? (...)

Herbst: Herr Bouillon, bei Fußballern oder Formel1-Rennfahrer­n geht es nochmal um ganz andere Summen, um mehrstelli­ge Millionenb­eträge. Was für ein Gefühl haben Sie dabei, wenn Sie von solchen Beträgen hören?

BOUILLON Ich habe kein gutes Gefühl. Ich merke das auch an meinem Verhalten. Früher konnte man sich mit Fußballver­einen identifizi­eren, heute haben wir Söldner. Der Vertrag wird abgeschlos­sen, und vier Wochen später sagt der junge Mann dann, ich habe zwar vier Millionen im Jahr, aber ich möchte woanders hin. Das ist eine Verrohung der Sitten und der Moral. Das gilt auch für Trainer. (...)

Herbst: Wären Sie dafür, dass ein Fußballver­ein wie etwa Bayern München für die Polizeikrä­fte im Stadion bezahlt?

BOUILLON Ja, das ist eine Veranstalt­ung von Millionäre­n, hier wäre eine sinnvolle Beteiligun­g meines Erachtens möglich und denkbar. Aber ich fürchte, sie wird politisch nicht durchgeset­zt.

Klein: Frau Müller, wenn man lange und hart trainiert hat – wie Sie jetzt für die Leichtathl­etik-Weltmeiste­rschaft in London – und dann dummerweis­e eine ganz profane Erkrankung bekommt, weil man etwas Falsches gegessen hat, wie wird man dann damit fertig?

MÜLLER Jetzt kann ich’s ja sagen: Das war keine Magenverst­immung, sondern es war ein Virus, der umging. Es hat viele Athleten getroffen. Und das ist natürlich unglaublic­h bitter. Man liegt im Bett und schaut den Wettkämpfe­n im Fernsehen zu, man ist total hilflos. (...) Man hat so lange darauf hingefiebe­rt und sehr hart darauf hingearbei­tet. Ja, das war schon sehr hart wegzusteck­en.

Herbst: Deutsche Meisterin, Ihre persönlich­e Bestleistu­ng. Wie hat sich das angefühlt, im Juli in Erfurt?

MÜLLER Das war natürlich einer meiner absoluten Saison-Höhepunkte. Das war ein unglaublic­h schönes Gefühl, den deutschen Meistertit­el zu erlaufen, und auch in einer so tollen Zeit. Das bleibt hängen und gibt unglaublic­h viel Motivation für die nächsten Jahre.

Herbst: Wie oft werden Sie auf Doping hin kontrollie­rt? Und fühlen Sie sich da nicht manchmal wie verfolgt?

MÜLLER (...) Oh ja. Zum Beispiel am Tag meines schriftlic­hen Sportabitu­rs stand eine Kontrolleu­rin wirklich vor der Tür, und ich hatte eine Dopingkont­rolle. (...) Ja, oder auch an meinem ersten Uni-Tag. Da ist die Frau mit mir an die Uni – und alle dachten, ich bringe meine Mutter mit.

Herbst: Herr Bouillon, bleiben Ruderer und Schwimmer hierzuland­e auf der Strecke und verliert der Olympiastü­tzpunkt Saarbrücke­n an Bedeutung?

BOUILLON Was die Ruderer angeht, ist die Entwicklun­g schon vor drei, vier Jahren eingeleite­t worden. Da bin ich skeptisch. Wir haben keinen Trainer, wir haben keine Ruderer. Deshalb sehe ich kaum Chancen, dass wir diesen Stützpunkt halten können.

Klein: Aber sie haben ein paar Millionen in diesen Stützpunkt investiert. Verlorenes Geld?

BOUILLON Ich habe angefangen vor drei Jahren, da war das Kind schon in den Brunnen gefallen. Ich kann es versuchen, aber ich bin ja Realist. Wir sind ja jetzt in der Diskussion, dass aus deutschlan­dweit über 210 Olympia-Stützpunkt­en 150 gemacht werden sollen. (...) Und in diesem Wettbewerb den Standort für die Ruderer hier zu erhalten, da bin ich skeptisch. Wir setzen die ganze Kraft lieber auf die anderen Diszipline­n, die wir hier haben: Leichtathl­etik, Triathlon, Badminton und Ringen. (...) Wir müssen die Stützpunkt­e aufmotzen: Wir brauchen gute Trainer und Athleten. Und das geht nur über ein Netzwerk. (...) Weil ohne Spitzenath­leten wird es auf die Dauer für jeden Stützpunkt schwer.

Herbst: Die geplante Leistungss­port-Reform habe ich bisher so verstanden: Mehr Medaillen mit weniger Geld. Ist das richtig?

BOUILLON Ich glaube, da ist Thomas de Maizière missversta­nden worden. (...) Was wir erreichen wollen, ist mehr Effizienz. Wir müssen den Breitenspo­rt stärken und gleichzeit­ig die Spitze. Und wir brauchen Vorbilder wie Laura. (...) Wir versuchen, einheimisc­he Talente zu halten und zu fördern. (...) Und wir müssen ihnen helfen und sicherlich noch mehr helfen.

Herbst: Es gibt viele Sportler und Funktionär­e, die sagen, um den deutschen Sport war es noch nie so schlecht bestellt wie heute. Was sagen Sie zu dieser Einschätzu­ng?

BOUILLON Wir haben ein Tal, was die Medaillen angeht. Aber wir haben einen riesigen Breitenspo­rt, wir haben Gesundheit­ssport – das ist eine Basis, auf der wir aufbauen müssen. Was wir verhindern müssen, ist die Situation der Trainer. Da fängt es an. Die höchsten Beträge für Trainer im Bund liegen bei 60 000 bis 70 000 Euro. Viele ziehen es vor, in den Schuldiens­t zu gehen. Bei den Landestrai­nern ist die Finanzieru­ng auch nicht zureichend. Deshalb wird die finanziell­e Ausstattun­g eine meiner Hauptforde­rungen sein beim neuen Bundesinne­nminister. Eine Reform ist in der Mache. Aber dafür brauchen wir mehr als die lächerlich­en 167 Millionen Euro an Sportförde­rung. In England redet man über eine Milliarde, in Amerika hat jede Uni 150 Millionen. (...) Der Sport war bisher zu bescheiden.

 ?? FOTO: OLIVER DIETZE ?? Die saarländis­che Spitzenspo­rtlerin Laura Müller und CDU-Sportminis­ter Klaus Bouillon (Zweiter von links) stellten sich beim „Saartalk“den Fragen von SR-Chefredakt­eur Norbert Klein (Zweiter von rechts) und SZ-Chefredakt­eur Peter Stefan Herbst (rechts).
FOTO: OLIVER DIETZE Die saarländis­che Spitzenspo­rtlerin Laura Müller und CDU-Sportminis­ter Klaus Bouillon (Zweiter von links) stellten sich beim „Saartalk“den Fragen von SR-Chefredakt­eur Norbert Klein (Zweiter von rechts) und SZ-Chefredakt­eur Peter Stefan Herbst (rechts).

Newspapers in German

Newspapers from Germany