Nord-Süd-Strecke der Bahn öffnet wieder
Ab heute sollen auf der Rheintalbahn bei Rastatt wieder die Züge rollen. Der Schaden ist groß.
Die wichtige Nord-Süd-Strecke Rheintalbahn, die Mitte August gesperrt worden war, soll heute wieder freigegeben werden. Die Sperrung hatte für erhebliche Probleme bei den Reisenden, aber auch im Güterverkehr gesorgt.
(dpa) Lärm sind die Anwohner gewohnt. Nur wenige Meter von ihren Häusern entfernt rattern hier in Rastatt-Niederbühl an der Ringstraße Tag und Nacht die Züge vorbei. Normalerweise. In den letzten sieben Wochen nicht. Eine Havarie an der benachbarten Tunnelbaustelle hat zum Stillstand an einer der wichtigsten Nord-Süd-Bahntrassen Europas geführt. Ruhig ist es dennoch nicht. Um die Strecke wieder flott zu kriegen, ließ die Bahn rund um die Uhr arbeiten. Ab heute soll die Rheintalbahn zwischen Rastatt und Baden-Baden wieder in Betrieb gehen. Die Erleichterung ist groß – der Schaden auch.
Seit dem 12. August ist die hoch frequentierte Route lahmgelegt. Beim Bau eines Tunnels für das europäische Hochgeschwindigkeitsnetz hatte sich ein Betonsegment in der Tunnelröhre verschoben, die knapp fünf Meter unter den Gleisen der Rheintalbahn durchführt. Wasser und Erdreich drangen ein, die Gleise senkten sich ab.
Und das auf einer Strecke, die Tag für Tag sonst etwa 120 Personenzüge passieren sowie bis zu 200 Güterzüge. Bahnen mussten umgeleitet werden, etliche fielen aus. Der Güterverkehr staute sich zwischen Rotterdam und Genua. Reisende und Pendler – täglich an die 30 000 – mussten in Busse umsteigen. Sie waren damit etwa eine Stunde länger unterwegs.
„Besonders negativ war und ist die Tatsache, dass es keinen „Plan B“für den Fall einer baubedingten Streckensperrung gab“, sagt Peter Westenberger, Geschäftsführer des Netzwerks Europäischer Eisenbahnen (NEE), das vor allem die Güterbahn-Konkurrenten der Deutschen Bahn vertritt. Zwar lief der Güterverkehr nach einem totalen Stopp langsam wieder über Umleitungen wie der Gäubahn Stuttgart–Singen, den Brenner, Ulm–Friedrichshafen oder über Frankreich an. Aber nicht alle Ausweichrouten waren geeignet.
Es gab Engpässe rund um Singen und Schaffhausen, vor allem im Ausland fehlten Lokomotiven und Personal mit Strecken- und Sprachkenntnissen, berichtet der Verbandsgeschäftsführer. „Insgesamt lief nichts wirklich reibungslos.“Nur maximal die Hälfte der üblichen Mengen sei transportiert worden. Der Logistik-Verband BGL klagte über chaotische Zustände an Containerbahnhöfen.
Allein die Eisenbahnverkehrsunternehmen rechnen mit Schäden „um die 100 Millionen Euro“. Inklusive der Schäden an der Infrastruktur und volkswirtschaftlichen Folgen schließt Westenberger „Gesamtkosten bis in Milliardenhöhe“nicht aus. Mehr als zwei Dutzend deutsche und europäische Organisationen haben bei Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) mehrfach Nothilfe angemahnt. Sie bekamen keine Antwort. „Als wäre das Ministerium vom Erdboden verschluckt worden.“
Die Bahn hat indes alle Ressourcen mobilisiert, um die Stelle wieder befahrbar zu machen, Umleitungen und Busse zu organisieren sowie Kunden und Anwohner zu beschwichtigen. Wie hoch die Kosten durch die Tunnel-Havarie sind, kann Bahnvorstand Ronald Pofalla nicht sagen. Auch sei noch nicht entschieden, wie es mit dem Tunnelbau in der beschädigten Röhre weitergeht. Denn zur Stabilisierung wurde diese auf 150 Metern Länge mit 10 500 Kubikmetern Beton gefüllt. Die Tunnelbohrmaschine wurde einbetoniert. Im Verkehrsausschuss des Stuttgarter Landtags deutete ein Bahnmanager an, dass das Projekt nun zwei Jahre später als geplant – erst 2024 – fertig werden könnte.