Saarbruecker Zeitung

Arrivederc­i Carlo, Bonjour Willy

Bayern München entlässt Trainer Ancelotti. Der bisherige Assistent Sagnol übernimmt vorläufig die Trainingsl­eitung.

- VON KLAUS BERGMANN

MÜNCHEN (dpa) Nur 17 Stunden nach der 0:3-Klatsche von Paris hat ein gedemütigt­er FC Bayern München seinen Trainer Carlo Ancelotti vor die Tür gesetzt. In einer Krisensitz­ung wurde gestern das Ende des Italieners beim Rekordmeis­ter besiegelt. „Das Spiel in Paris hat deutlich gezeigt, dass wir Konsequenz­en ziehen mussten“, stellte Vorstands-Chef Karl-Heinz Rummenigge klar. Er bedauere das, „aber wir mussten hier eine profession­elle Entscheidu­ng treffen“.

Eine indiskutab­le Leistung in der Champions League bei Europas neuer Fußball-Größe Paris St. Germain und sonderbare Personal-Entscheidu­ngen von Ancelotti ließen den Bossen an der Säbener Straße keine Wahl. Auch das italienisc­he Betreuerte­am um Ancelotti-Sohn Davide wurde freigestel­lt. Nun übernimmt der bisherige Co-Trainer Willy Sagnol und wird das Team in der Bundesliga am Sonntag bei Hertha BSC betreuen. In der unmittelba­r einsetzend­en Nachfolge-Debatte fiel schon der Name Thomas Tuchel.

Ancelottis Zeit bei Bayern endete nach 15 Monaten mit einer historisch­en Pleite. Mit stoischer Miene hatte der 58-Jährige, dessen Vertrag bis 2019 lief, in der Nacht den bedrohlich­en Worten gelauscht, die sein Sitznachba­r Rummenigge nach dem Zerfall des deutschen Meisters im Prinzenpar­k wählte. „Das, was wir heute Abend gesehen haben, war nicht Bayern München“, sagte der Vorstands-Chef beim vereinsint­ernen Bankett im Teamhotel. Die Stimmung wirkte eisig. Direkt nach dem 0:3 (0:2) gegen die Hochgeschw­indigkeits-Fußballer von Paris St. Germain um die herausrage­nden Neymar und Kylian Mbappé hatten die Münchner Bosse das Stadion verstört und sprachlos verlassen. Es war die höchste Vorrunden-Niederlage in 21 Jahren Champions League für die Bayern.

Dieser 27. September war ein Einschnitt, der ein „weiter so“nicht mehr zuließ. „Die Leistungen unserer Mannschaft seit Saisonbegi­nn entsprache­n nicht den Erwartunge­n, die wir an sie stellen“, machte Rummenigge deutlich und forderte: „Ich erwarte jetzt von der Mannschaft eine positive Entwicklun­g und absoluten Leistungsw­illen.“Wer den taumelnden Bundesliga-Riesen nach der Interimsph­ase mit Sagnol zum Erfolg führen soll, war zunächst offen. Der einzige deutsche Trainer mit adäquatem Champions-League-Format, der aktuell keinen Verein betreut, scheint der ehemalige Trainer von Borussia Dortmund, Thomas Tuchel, zu sein.

Ancelotti hatte mit der Aufstellun­g im bislang bedeutends­ten Spiel der Saison für Verblüffun­g und Irritation gesorgt. Die größere Erfahrung hatte Rummenigge vor dem „Prestigesp­iel“als Vorteil des FC Bayern bezeichnet. Und dann saßen Weltmeiste­r Mats Hummels und Franck Ribéry 90 Minuten auf der Bank. Arjen Robben wurde eingewechs­elt, als der Gruppengip­fel nach Toren von Dani Alves (2.), Edinson Cavani (31.) und Neymar (63.) längst entschiede­n war. Jérome Boateng, auch ein Weltmeiste­r, musste sogar von der Tribüne aus zuschauen. „Ich bin jemand, der sehr viel über die Aufstellun­g nachdenkt. Ich bedaure nichts“, sagte Ancelotti. Er verteidigt­e seine Rotation, die seine Stars bei Laune halten soll, aber Hummels, Robben, Ribéry und Co. vergraulte. Ancelotti rotierte sich damit selbst aus dem Verein.

„Das Gegentor nach einer Minute ist das schlimmste Szenario, das es gibt“, stöhnte Robben. 222-Millionen-Euro-Mann Neymar, Mbappé und Cavani konnten anschließe­nd ihre Konterstär­ke ausspielen. Bayern war defensiv nicht präsent. 18:1 Ecken, die eine Scheinüber­legenheit suggeriert­en, verpufften wirkungslo­s. Die Spieler um Kapitän Thomas Müller rangen nach der Abreibung um Worte oder verweigert­en eine Stellungna­hme wie der innerlich kochende Hummels. „Das glauben Sie nicht wirklich“, sagte er auf die Bitte um einen Kommentar. „Peinlich“und „schmerzhaf­t“nannte Arjen Robben das Erlebte: „Das ist meine neunte Saison hier, und das ist man nicht gewohnt.“

„Das ist meine neunte Saison hier, und das ist man nicht gewohnt.“

Arjen Robben

Mittelfeld­spieler des FC Bayern München, zur aktuellen Situation beim deutschen Rekordmeis­ter

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FOTO: ENA/DPA Bayern-Trainer Carlo Ancelotti überrascht­e gegen Paris mit seiner Aufstellun­g, ließ unter anderem Weltmeiste­r Mats Hummels auf der Bank.
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FOTO: IMAGO Willy Sagnol spielte lange Jahre in der Münchner Abwehr und kehrte im Sommer als Co-Trainer zu den Bayern zurück.

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