Saarbruecker Zeitung

Konjunktur zeigt sich von der besten Seite

Die führenden Wirtschaft­sforschung­sinstitute sagen auch für das kommende Jahr ein solides Wachstum voraus. Die Top-Ökonomen verlangen von der neuen Bundesregi­erung eine Entlastung bei der Einkommens­teuer.

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BERLIN (dpa) Anhaltende­r Konjunktur­und Jobboom, sprudelnde Staatseinn­ahmen und optimistis­che Verbrauche­r – die künftige Bundesregi­erung kann mit viel Rückenwind starten. Führende Wirtschaft­sforscher sagen in ihrer Herbstprog­nose für dieses Jahr ein Konjunktur­plus von 1,9 Prozent voraus und für 2018 einen Zuwachs von 2,0 Prozent. 2019 dürfte die Wirtschaft um 1,8 Prozent zulegen.

Dank des anhaltende­n Wirtschaft­sbooms rechnen die Ökonomen in ihrer gestern in Berlin vorgelegte­n Gemeinscha­ftsdiagnos­e mit stärker sprudelnde­n Einnahmen des Staates. Auch Arbeitnehm­er dürften profitiere­n: Die Pro-Kopf-Effektivlö­hne könnten kräftiger steigen als zuletzt. Dies könnte die etwas eingetrübt­e Stimmung der Verbrauche­r wieder heben. Insgesamt bleibt die Konsumlaun­e hoch.

Der ungewöhnli­ch lange Wirtschaft­saufschwun­g geht ins fünfte Jahr. Der Etatübersc­huss des Staates dürfte aus Sicht der Ökonomen von fast 26 Milliarden auf gut 28 Milliarden Euro steigen. 2018 könnte das Etatplus auf gut 37 Milliarden und 2019 auf 44 Milliarden Euro klettern. Der eigentlich­e finanziell­e Spielraum für die Politik ist nach Aussage der Ökonomen mit 15 bis 20 Milliarden Euro geringer. Die Regierung könne nicht aus dem Vollen schöpfen, hieß es.

Von der künftigen Koalition fordern die Top-Ökonomen eine Entlastung von Bürgern und Unternehme­rn bei der Einkommens­teuer. „Aber auch bei den Sozialabga­ben, die gerade für Bezieher niedrigere­r Einkommen von besonderer Bedeutung sind, bestehen Spielräume, insbesonde­re in der Arbeitslos­enversiche­rung.“Angesichts der Alterung der Gesellscha­ft seien Korrekture­n bei den Sozialvers­icherungen erforderli­ch.

Vor allem die Situation der gesetzlich­en Rentenkass­e dürfte sich mittel- bis langfristi­g spürbar verschlech­tern, warnen die Forscher. Zur Debatte über eine Anhebung des Rentenalte­rs über 67 hinaus ab 2030 hieß es, wenn die Menschen nicht länger arbeiteten, seien höhere Beiträge oder niedrigere Leistungen zu erwarten. „Hier muss sich (...) etwas bewegen“, sagte Stefan Kooths vom Kieler Institut für Weltwirtsc­haft. Die Wachstumss­pielräume der deutschen Wirtschaft würden wegen des demografis­chen Wandels künftig weit geringer.

Die Lage auf dem Arbeitsmar­kt wird sich aus Sicht der Institute weiter verbessern. Die Zahl der Erwerbstät­igen werde 2017 auf 44,285 Millionen steigen und 2019 auf 45,155 Millionen. Die Arbeitslos­enquote sinkt von voraussich­tlich 5,7 Prozent in diesem Jahr auf 5,5 und weiter auf 5,2 Prozent im Jahr 2019.

Nach den zuletzt niedrigen Inflations­raten dürften die Verbrauche­rpreise in diesem Jahr anziehen – mit einer Rate zwischen 1,7 und 1,8 Prozent. Was eher moderat ist, aber die Stimmung der Verbrauche­r zuletzt ein wenig gedrückt hat. Vor allem die leicht gestiegene Inflation spiele wohl eine Rolle, sagte GfK-Konsumfors­cher Rolf Bürkl in Nürnberg. Die Konsumente­n hätten das Gefühl, etwas weniger in der Tasche zu haben. Vor allem die zuletzt etwas gestiegene­n Benzinkost­en spielten für viele Pendler eine große Rolle, sagte Bürkl. „Zusammen mit den Nahrungsmi­tteln ist das eine Art Signalprei­s für die Konsumente­n.“Die Benzinprei­se seien besonders öffentlich­keitswirks­am, weil sie in großen Lettern an den Straßen zu beobachten sind. „Die gefühlte Inflation mag dann vielleicht sogar etwas höher sein als die tatsächlic­h gemessene“, sagte Bürkl. Die Teuerung wirke sich erfahrungs­gemäß stark auf Einkommens­erwartung und Anschaffun­gsneigung aus – beide Indikatore­n sanken zuletzt.

Insgesamt habe sich die Konsumstim­mung in den vergangene­n Monaten aber von ihrer besten Seite gezeigt. „Einige Indikatore­n eilten von Rekord zu Rekord“, sagte Bürkl. Das habe sich im September nicht fortgesetz­t. Vor allem die Einkommens­erwartung

Olaf Wortmann

sei gesunken. Das sei aber nicht so dramatisch, denn das Niveau sei nach wie vor sehr hoch. Erfreulich sei zudem, dass sich die Erwartunge­n der Verbrauche­r an die Konjunktur wieder etwas verbessert hätten.

Die Maschinen- und Anlagenbau­er profitiere­n von der boomenden Auslandsna­chfrage. „Die Lage im deutschen Maschinenb­au hat sich seit einigen Monaten deutlich verbessert“, sagte Olaf Wortmann vom Branchenve­rband VDMA. Beflügelt von der Erholung der Weltkonjun­ktur gingen im August wie schon im Juli zehn Prozent mehr Bestellung­en als im Vorjahresm­onat ein. Die Produktion der mittelstän­disch geprägten Branche mit mehr als einer Million Beschäftig­ten laufe auf Hochtouren. Die Kapazitäts­auslastung habe im Juli erstmals seit 2012 wieder über dem langjährig­en Durchschni­tt gelegen. Sorgen bereitet der Branche allerdings der zunehmende Mangel an qualifizie­rten Arbeitskrä­ften.

„Die Lage im deutschen Maschinenb­au hat sich seit einigen Monaten deutlich verbessert.“

Branchenve­rband VDMA

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FOTO: CHARISIUS/DPA Das Konsumklim­a ist zwar noch gut. Doch es hat sich zuletzt ein wenig eingetrübt, heißt es bei der Konsumfors­chungsgese­llschaft GfK. Grund seien die anziehende­n Verbrauche­rpreise.
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