Saarbruecker Zeitung

Die wirren Abgründe des Hussein K.

Der grausige Tod von Maria L. löste bundesweit Entsetzen aus. Nun hat der Prozess um die Ermordung der Studentin begonnen.

- VON ANIKA VON GREVE-DIERFELD UND KATHRIN DRINKUTH

FREIBURG (dpa) Während draußen Demonstran­ten über Flüchtling­spolitik streiten, betritt der Mordverdäc­htige Hussein K. den Gerichtssa­al. Seine Augen sind halb geschlosse­n, sein Schritt schleppend, Füße und Hände sind gefesselt. Fast wie ein alter Mann wirkt der junge Geflüchtet­e, leicht gebeugt in seinem weinroten Pullover und einer ausgebleic­hten, tief sitzenden Jeans. Der Andrang des Publikums ist riesig.

Hussein K., angeklagt des Sexualmord­es an der jungen Freiburger Studentin Maria L., setzt sich und blickt stets zu Boden. Er wirkt teilnahmsl­os. Auf die Frage des Gerichts, wie es ihm gehe, antwortet er: „Ich habe nichts zu sagen.“

Dann die Überraschu­ng: Der Angeklagte wolle nun doch umfassend aussagen – auch zum Tathergang selbst, erklärt sein Verteidige­r. „Er hat sich kurzfristi­g entschloss­en.“Doch hat die Staatsanwa­ltschaft zunächst eine Anklage mit grauenvoll­en Details zu verlesen: Wie der junge Flüchtling die arglose 19-Jährige, die nach einer Party mitten in der Nacht nach Hause radelt, abrupt anhält. Wie er sie vom Rad reißt. Wie er sie sofort zu würgen beginnt. Wie er sie in Brust und Wange beißt. Wie er die schon halb besinnungs­lose Frau vom Radweg am Fluss Dreisam auf einen unbeleucht­eten Grasstreif­en zerrt. Wie er sie entkleidet. Wie er sie immer weiter würgt und schließlic­h mehrfach vergewalti­gt.

Ein Wunder, dass sie da nicht schon tot war, deutet der Staatsanwa­lt an. Dann habe K. die hilflose Frau so in das flache Ufergewäss­er des Flusses Dreisam gelegt, dass das Wasser Mund und Nase des Opfers bedeckte. Maria L. ertrank. Gleich im Anschluss an die Verlesung der Anklage stellt der Staatsanwa­lt in Aussicht, nach einem Schuldspru­ch die Sicherungs­verwahrung zu beantragen. Hussein K. blickt weiter zu Boden.

Vor der Verhandlun­g habe er ein starkes Beruhigung­smittel zu sich genommen. Hussein K. schildert seinen Fluchtweg. Mal ausführlic­h, mal sparsam erzählt er von dem Weg aus seinem angebliche­n Geburtslan­d Afghanista­n in den Iran, die Flucht von der Türkei nach Griechenla­nd und schließlic­h über Serbien und Slowenien nach Deutschlan­d. Von einem Leben in Bauruinen ist die Rede. Von Essen aus dem Müll, von Diebstahl und Alkohol, von Schleppern. Von Ausweglosi­gkeit und Elend.

Ein klares Bild formt sich trotz intensiver Nachfragen der Richterin nicht. Es gibt zahlreiche Widersprüc­he. Erinnerung­slücken. Fragen zur eigenen Familie blockt Hussein K. oft ab. Die Antworten auf die Fragen zu seinem Alter wirken wenig glaubwürdi­g. In Griechenla­nd soll

„Ich habe sehr viele Probleme.“

Der Angeklagte Hussein K.

beim Prozessauf­takt zum Mordfall Maria L.

er sich absichtlic­h älter gemacht haben. In Deutschlan­d absichtlic­h jünger. Er räumt ein, bei der Einreise nach Deutschlan­d statt 16 schon 18 gewesen zu sein. Eine stimmige Alterschro­nologie ergibt sich dennoch nicht, wie die Richterin anmerkt. „Sie können rechnen?“, fragt Hussein K. in ihre Richtung.

Recht ausführlic­h berichtet er von Drogen- und Alkoholkon­sum während seiner in Deutschlan­d vor dem Mord verbrachte­n Zeit. Auf Fragen nach seinem Leben in der Pflegefami­lie, die ihn als angeblich minderjähr­igen Flüchtling aufgenomme­n hatte, antwortet er ausweichen­d. Er habe zu Schulzeite­n täglich mit einem Freund geraucht und getrunken. „Ich habe sehr viele Probleme.“Von Maria L. ist, abgesehen von der Anklagesch­rift, am Dienstag zunächst nicht die Rede. Die eigentlich noch geplante Vernehmung des Leiters der Ermittlung­en wird verschoben. Die Eltern von Maria nehmen, wie erwartet, nicht teil. Sie haben bisher eisern geschwiege­n. Als Nebenkläge­r hatten sie über ihren Anwalt im Vorfeld ausrichten lassen: „Wir haben Vertrauen in die Justizorga­ne bei der Behandlung dieses Falles.“

Am Ort des Verbrechen­s flattert um einen Baum immer noch ein schmuddeli­ges Tatortband. Die Kerzen sind weniger geworden, nur ein Grablicht brennt noch. Eine schwarze Plastikros­e ist immer noch da, ein Engel, ein Jesusbild. Und auch das rote Herz hängt noch, in halber Höhe an den Stamm geheftet.

 ?? FOTO: SEEGER/DPA ?? Justizbeam­te brachten den Angeklagte­n Hussein K. gestern in den Saal des Freiburger Landgerich­ts. Die Staatsanwa­ltschaft wirft ihm vor, die Studentin Maria L. im Oktober 2016 vergewalti­gt und ermordet zu haben.
FOTO: SEEGER/DPA Justizbeam­te brachten den Angeklagte­n Hussein K. gestern in den Saal des Freiburger Landgerich­ts. Die Staatsanwa­ltschaft wirft ihm vor, die Studentin Maria L. im Oktober 2016 vergewalti­gt und ermordet zu haben.

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