Saarbruecker Zeitung

Lindners FDP: Regenerier­t, aber noch lange nicht durch

LEITARTIKE­L

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Eine Zeitung spekuliert­e kürzlich, wer von der FDP Minister werden könne, falls die Partei nach der Bundestags­wahl wieder in die Regierung einziehen sollte. Sie hatte keine Mühe, eine ganze Reihe von passablen, unverbrauc­hten Namen zu finden. Profession­ell betrachtet kann man nur den Hut ziehen: Die FDP hat sich unter Führung ihres jungen Vorsitzend­en Christian Lindner regenerier­t. Nach dem Ausscheide­n aus dem Bundestag im Jahr 2013 hätte sie sich auch zerlegen oder ins Sektiereri­sche abgleiten können, etwa mit ausländerf­eindlichen oder europakrit­ischen Positionen. Versuchung­en gab es reichlich. Stattdesse­n präsentier­t sich die Partei heute modern-liberal und selbstbewu­sst. Und sie wird geführt von einem Team, das sich tatsächlic­h zu verstehen scheint. Früher war die FDP ein Intrigante­nhaufen.

Vor allem zwei Fehler, die auch Ursache des Desasters von 2013 waren, als die Liberalen nur 4,8 Prozent der Zweitstimm­en erhielten, hat Lindner korrigiert. Zum einen hat er sich getrennt von der einseitige­n Orientieru­ng auf Steuersenk­ungen, die die Liberalen zuletzt wie einen Ableger des Steuerzahl­erbundes hatten aussehen lassen. Stattdesse­n stehen nun zukunftsor­ientierte Themen wie Bildung und Digitalisi­erung im Mittelpunk­t. Zum anderen hat die FDP ihre ausschließ­liche Ausrichtun­g auf ein Bündnis mit der Union aufgegeben. Zu der hat sie zwar noch immer die größere Nähe, wie auch Parteichef Lindner betont, doch entscheide­t sie je nach Lage und wirkt daher viel unabhängig­er als früher. Man glaubt ihr nun eher, dass ihr die Inhalte einer Koalitions­vereinbaru­ng tatsächlic­h wichtiger sind als die Posten – obwohl der endgültige Beweis dafür erst noch erbracht werden muss. Vielleicht im Herbst.

Trotzdem ist die FDP nicht gerettet. Sie wird weiterhin als Funktionsp­artei wahrgenomm­en und nur in dem Umfang gewählt, wie sie den Wählern notwendig erscheint, um eine bestimmte Koalition herbeizufü­hren. Der Grund: Ein echtes eigenes Thema hat die Partei nicht, anders als die Grünen mit dem Ökologisch­en, die AfD mit dem Nationalen, die Linken und die SPD mit der sozialen Gerechtigk­eit oder die Union mit der bürgerlich­konservati­ven Mitte. Schlimmer noch: Das eine Hauptanlie­gen der FDP, der Erhalt der Bürgerfrei­heiten, hat es in Zeiten des Terrorismu­s schwer. Und für ordolibera­le Rezepte in der Wirtschaft­sund Sozialpoli­tik ist auch gerade keine gute Konjunktur. Davon hat es in der Vergangenh­eit nämlich eher zu viel gegeben, was die Gesellscha­ften gespalten und dem Ruf nach Renational­isierung Vorschub geleistet hat. Jetzt ist eher sozialer Ausgleich angesagt. Und wieder mehr Staat.

Für die FDP, so gut sie sich auch vorbereite­t hat, wird es also sehr schwer im Herbst. Wenn der Wiedereinz­ug in den Bundestag nicht klappt, wird es sogar existenzie­ll. Denn zwei Mal wird auch Lindner eine solche Kraftanstr­engung nicht schaffen.

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