Saarbruecker Zeitung

Wenn der Tod Frieden bedeutet

Neu im Kino: „Stille Reserven“von Valntin Hitz – Düstere Science-Fiction-Vision über den Tod als Geschäft

- Von Michel Winde

Wien ist gespalten. Eine Grenze läuft durch die Stadt – gezogen von Konzernen und ihren Fußsoldate­n. Einige können sich eine Todesversi­cherung leisten, andere können nicht zahlen. Oder verweigern sich dem System. Für sie hat das Leben nach dem Tod kein Ende. Ihre Körper werden in einen Dämmerzust­and versetzt und ausgebeute­t.

Der Tod als Privileg. In nicht allzu ferner Zukunft, so skizziert es Valentin Hitz’ (Drehbuch und Regie) bedrückend­e Science-FictionDys­topie „Stille Reserven“, müssen wir entscheide­n: Was ist uns Selbstbest­immung wert? Und wie wehrhaft sind wir gegenüber dem Kapital? Es ist eine düstere Vision, die Hitz über eineinhalb Stunden entwirft. Und es sind existenzie­lle Fragen, die er aufwirft. Fragen, denen die Zuschauer auch nach dem letzten Bild noch nachhängen. Schade nur, dass auch diese Geschichte nicht Clemens Schick überzeugt als Versicheru­ngsagent Vincent. ohne vorhersehb­are Leinwand-Liebelei auskommt.

„Vincent Baumann, Assekuranz­agent im Außendiens­t, Todesversi­cherung“, so weist sich jemand aus, für den es bislang nur nach oben ging. Baumann, mit feinsinnig­er Akkuratess­e gespielt von Clemens Schick, ist ein kontrollie­rter Karrierist, der bislang jeden Auftrag zum Abschluss gebracht hat. Sein Leben widmet er der Selbstopti­mierung, der Selbstbehe­rrschung. Mit seiner Chefin hat er zum Hormonausg­leich Sex im Büro, Todesversi­cherungen verkauft er mit Sätzen wie: „Die meisten Menschen verdrängen den Gedanken an den Tod, dabei bedeutet Tod doch Frieden.“Wer keine Todesversi­cherung abschließt, läuft Gefahr, keinen Frieden zu finden. Stattdesse­n wird der Körper ausgebeute­t, um bestehende Schulden auszugleic­hen: als Ersatzteil­lager, als Leihmutter, als Speicherme­dium. Alles steht im Dienst des Kapitals. Unternehme­n haben Einfluss auf alle Bereiche des Lebens – und des Sterbens. Die ökonomisch­e Verwertung setzt sich selbst im Tod fort.

Hitz inszeniert seinen Film in einer kühlen Ästhetik. Zu Beginn werden die Zuschauer gefangen genommen – von der fasziniere­ndverstöre­nden Geschichte, von Schicks Spiel und von der Frage, wie weit die Ökonomisie­rung gehen darf. Diese Spannung verliert sich später jedoch. Die Handlung gerät wenig überrasche­nd. Ebenso, dass Baumann der leidenscha­ftlichen Aktivistin Lisa (Lena Lauzemis) verfällt. (Österreich, Deutschlan­d 2015/16, 95 Min.; Filmhaus Sb, Regie: Valentin Hitz)

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