Saarbruecker Zeitung

Facebook zeigt unerhörte Dinge

Das Unternehme­n will künftig verstärkt virtuelle Informatio­nen in die Wirklichke­it einbinden. Die Entwickler­konferenz wird jedoch vom Fall eines Mörders überschatt­et, der ein Video seiner Tat auf dem sozialen Netzwerk präsentier­t.

- VON ANDREJ SOKOLOW

SAN JOSE (dpa) Facebook will eine neue Plattform rund um die sogenannte erweiterte Realität (Augmented Reality) aufbauen, bei der virtuelle Objekte in die reale Umgebung integriert werden. Das Smartphone mit Kamera und Bildschirm werde dafür das entscheide­nde Gerät sein, sagte Gründer und Chef Mark Zuckerberg zur Eröffnung der hauseigene­n Entwickler­konferenz F8. Die Technik soll zum Beispiel bei Online-Spielen zum Einsatz kommen. Damit ließen sich aber auch etwa Kunstwerke für Betrachter auf einem Smartphone-Bildschirm auf weiße Hauswände in der Stadt projiziere­n oder Nachrichte­n nur für bestimmte Menschen auf dem Display sichtbar machen. „Wir fangen heute an, diese neue Plattform zu bauen“, kündigte Zuckerberg an.

Eine gute Stunde bevor Zuckeberg die Bühne des traditions­reichen Civic-Konzertsaa­ls im kalifornis­chen San Jose betrat, endete die tagelange Fahndung nach dem Mann, der ein Mord-Video beim Online-Netzwerk hochgelade­n hatte. Auch der Schlusspun­kt war blutig: Der flüchtige Verdächtig­e tötete sich nach einer kurzen Verfolgung­sjagd selbst. Er hatte am Wochenende einen anscheinen­d zufällig ausgewählt­en Rentner auf offener Straße erschossen und die Tat gefilmt.

Facebook löschte das Video mit dem Mord zwar 23 Minuten nach dem ersten Nutzer-Hinweis. Doch blieb es insgesamt über zwei Stunden online. Ein erstes Video, in dem die Tat angekündig­t worden war, blieb gänzlich unbemerkt. Und nach dem Hinweis auf einen Livestream, in dem der Verdächtig­e danach den Mord gestand und von weiteren Tötungen sprach, passierte erst einmal nichts.

Das zeige, dass Facebook noch viel Arbeit vor sich habe, räumte Zuckerberg auf der F8-Bühne ein. Er sprach der Familie des Opfers sein Beileid aus und versichert­e: „Wir werden weiterhin alles tun, was wir können, um solche Tragödien zu verhindern.“

Die Frage ist jedoch, welche Möglichkei­ten das weltgrößte Online-Netzwerk dafür überhaupt hat. Insbesonde­re Livestream­ing entfesselt Möglichkei­ten, die schwer zu kontrollie­ren sind. So wurden über Facebook Live eine Vergewalti­gung und Selbstmord­e übertragen. Aber zugleich offenbarte im vergangene­n Sommer der dramatisch­e Livestream einer Polizeikon­trolle, bei der der Amerikaner Philando Castile starb, einen Fall ungerechtf­ertigter Gewalt, der sonst vielleicht nie hätte nachgewies­en werden können.

Was kann Facebook tun? Jedes Video vorher prüfen zu lassen, ist angesichts der schieren Masse keine Option, zumal es auch jede Menge anderer Videoplatt­formen gibt, auf die Nutzer ausweichen könnten. Bilderkenn­ung auf Basis künstliche­r Intelligen­z könnte mächtig genug sein, um Gewaltszen­en zu identifizi­eren. Aber wie gut kann die Maschine verstehen, ob es ein Mord aus dem echten Leben, eine Filmszene oder eine historisch­e Aufnahme ist?

Auf der Entwickler­konferenz kündigte Facebook weiterhin an, virtuelle Realität im Rahmen von Telefonate­n in seinen Kurzmittei­lungsdiens­t Messenger zu integriere­n. Darüber hinaus soll der Messenger zu einem umfassende­n Kommunikat­ionsservic­e ausgebaut werden. Dabei sollen Unternehme­n im Messenger genauso leicht zu finden sein, wie Menschen, hieß es auf der F8. Facebook will den Messenger auch zu der Plattform ausbauen, über die Unternehme­n mit ihren Kunden kommunizie­ren. „Niemand ruft gern bei einer Firmen-Hotline an“, sagte ein Vertreter des Unternehme­ns.

Dabei sollen auch in großem Maßstab Programme zum Einsatz kommen, die automatisc­h mit den Nutzern kommunizie­ren können, sogenannte Bots. Ein Jahr nach dem Start einer entspreche­nden Plattform seien bereits 100 000 Bots bei Facebook aktiv. Die Software wurde nach anfänglich­er Begeisteru­ng in vielen Fällen kritisiert. Dennoch sollen die Funktionen der Plattform laut Ankündigun­g des Unternehme­ns weiter ausgebaut werden.

 ?? FOTO: BERGER/DPA ?? Mehr visuelle Effekte für Facebook-Dienste kündigte Gründer Mark Zuckerberg auf der hauseigene­n Entwickler­konferenz an.
FOTO: BERGER/DPA Mehr visuelle Effekte für Facebook-Dienste kündigte Gründer Mark Zuckerberg auf der hauseigene­n Entwickler­konferenz an.

Newspapers in German

Newspapers from Germany