Mit ,,Skrowa” auf musikalischen Gipfeln
Zum Tod des langjährigen Radio-Philharmonie-Dirigenten und Komponisten Stanislaw Skrowaczewski
SAARBRÜCKEN Begegnungen mit ihm waren stets kostbar. Durfte man doch etwa erleben, zu welchen Höhenflügen er die Deutsche Radio Philharmonie (DRP) beflügelte. Zumal wenn BrucknerNoten auf den Pulten lagen. Wie noch im November 2015 in der Saarbrücker Congresshalle. Bruckners 8. Sinfonie: Innig und glutvoll klang das. Stanislaw Skrowaczewskis letztes Konzert war es hier. Am Dienstag ist er – im Alter von 93 Jahren – in seiner Wahlheimat USA gestorben.
Der polnisch-amerikanische Dirigent und Komponist war einer der ältesten noch tätigen Dirigenten überhaupt. Selbst große Alte wie Celibidache und Günter Wand ließ er hinter sich – war aber bis zuletzt doch nie ein Pult-Greis. Strapazen langer Flüge schreckten ihn nicht, wenn er nach Saarbrücken kommen konnte. Um mit seinem Orchester zu musizieren. Das Dirigieren sei „Urlaub für meinen Körper“negierte er die Reiselast. Und in der Zusammenarbeit
Stanislaw Skrowaczweski
mit dem Saarbrücker Orchester gewann der Jungbrunnen Musik wohl zusätzlich Kraft.
In der Tat sind solche Verbindungen im Zeitalter der EventMaestri, die sich heute hier, morgen dort feiern lassen, mittlerweile rar: Dass nämlich ein Kapellmeister (der polyglotte Weltbürger Skrowaczewski schätzte eben dieses deutsche Wort, das viel von musikalischer Redlichkeit spricht) und ein Orchester über so lange Distanz so konsequent zusammenwirken.
1978 gab er das erste Konzert mit den Saarbrückern. 1994 wurde er Erster Gastdirigent des RSO Saarbrücken und vor zwei Jahren schließlich Ehrendirigent der DRP, wie das von SR und SWR getragene Orchester heute heißt. Mehrfach war man gemeinsam auf Japan-Tournee. Die Musiker aus dem Saarland wurden gefeiert. „Skrowa“, wie die Musiker ihn nannten, aber wurde verehrt. Auch die Kritik honorierte diese einmalige Verbindung. Für die gemeinsame Einspielung der Bruckner-Sinfonien gab es 2002 etwa den renommierten Cannes Classical Award.
Chefs kamen und gingen wieder am Pult der heutigen DRP. Skrowaczewski aber war über Jahrzehnte die Konstante, die das Orchester nun fraglos missen wird. Wie auch die Konzertgäste. „Als Konzertbesucher war es für mich immer wieder ein unglaubliches Erlebnis, mit welcher Wärme und Dankbarkeit der Maestro empfangen wurde“, äußerte sich jetzt SRIntendant Thomas Kleist ungewohnt persönlich.
Wenn Stanislaw Skrowaczewski dirigierte, schwang auch kaum zu ermessende Lebensklugheit und selbst erlebte Musiziertradition mit. Weite Strecken des 20. Jahrhunderts spiegelten sich in seiner Biografie. 1923 wurde er in Lwow (heute Ukraine) geboren, wollte Pianist werden. Eine Handverletzung machte dies zunichte.
So rückte das Dirigieren und Komponieren ins Zentrum; mit seiner „Passacaglia Immaginaria“war er 1997 für den Pulitzer-Musikpreis nominiert. Skrowaczewski selbst sah Komponieren und Dirigieren gleichberechtigt nebeneinander. Es sei fast eine „Lebenstragödie“, sagte er mal, dass er nicht genug Zeit für beides habe. In der öffentlichen Wahrnehmung überwog letztlich sein Tun als Dirigent. Bis 1959 waren es polnische Orchester. Von 1960 bis 1979 stand er an der Spitze des Minneapolis Symphony Orchestra und danach beim Hallé Orchestra in Manchester.
Auch wenn ihm, dem eine solche Lebensspanne gewährt war, die Zeit nie reichte, für eine Leidenschaft nahm sich Stanislas Skrowaczewski dann doch noch Zeit – fürs Bergsteigen. Und fand beim Klettern wieder Parallelen zur Musik: „Man muss eine Idee haben, wie man zum Gipfel kommt. Diese Konzentration und den Mut, etwas schaffen zu wollen, das braucht man auch beim Dirigieren.“Mit „Skrowa“hat die DRP höchste Gipfel erreicht.
„Wenn ich am Pult stehe, wird mein Kopf jung.“