Kekse, Tee und knifflige Themen
Außergewöhnliches Porträt über eine Vätergruppe türkischer Männer in Deutschland
Nach der gleichnamigen Buchvorlage von Isabella Kroth zeigt Bettina Blümner in „Halbmondwahrheiten“eine Selbsthilfegruppe türkischstämmiger Männer, die über ihre Ängste und Sorgen reden.
Saarbrücken. Der Stadtteil Berlin-Neukölln ist sowohl Schmelztiegel verschiedenster Lebensformen, als auch ein Problemviertel. Dort leben rund 300 000 Menschen, von denen mehr als ein Drittel Migranten sind. Viele davon stammen aus der Türkei und befinden sich in einem kulturellen Konflikt um Rollenmuster und Ehrenkodex.
Über türkische Männer kursieren pauschale Bilder: das der Paschas, die ihre Frauen daheim schlagen und ihre Ehre bis aufs Blut verteidigen, den Gebetskranz immer bei der Hand. Dass die Realität ganz anders aussehen kann, zeigt der Film von Regisseurin Bettina Blümner. Sie porträtiert die Teilnehmer der deutschlandweit ersten Selbsthilfegruppe für türkischstämmige Männer. Bei dem Psychologen Kazim Erdogan treffen sich einmal in der Woche vermeintliche Patriarchen, die in einen kulturellen Widerspruch geraten sind. Sie alle haben Probleme innerhalb ihrer Familien und sind bereit, ihre Lebenssituation mithilfe der Gruppe zu verändern. Erdogan – Der Psychologe Kazim Erdogan, der die erste Selbsthilfegruppe für türkischstämmige Männer ins Leben gerufen hat, erhielt von Bundespräsident Joachim Gauck das Bundesverdienstkreuz.
nicht verwandt mit dem türkischen Staatspräsidenten – hat sie zu sich geholt, in seinen Verein „Aufbruch Neukölln“, der mitten in einem Berliner Problemkiez liegt – die Arbeitslosenquote lag dort Anfang 2014 bei 16 Prozent. Bei ihm treffen sich jeden Montagabend türkische Männer, um in einer gemütlichen Runde bei Tee und Keksen über ungemütliche Themen zu sprechen: Gewalt in den Familien, die Doppelmoral der Ehre, der Einfluss des Islams. „Halbmondwahrheiten“hinterfragt
alte Klischees und stellt Männer vor, über die alle reden und über die wir doch viel zu wenig wissen.
Die Filmemacherin Bettina Blümner ist spezialisiert auf Dokumentarfilme, die sich mit Problemvierteln in Deutschen Städten und der Situation von Migranten hierzulande beschäftigen. Für ihr 2007 erschienenes Werk „Prinzessinenbad“wurde Blümner mit dem „Dialogue en Perspective“auf der Berlinale und dem „Deutschen Filmpreis“2008 ausgezeichnet.
Der Film begleitet die drei Jugendlichen Klara, Mina und Tanutscha, die im Berliner Bezirk Kreuzberg aufwachsen. Auch sechs Jahre später widmete sich die Regisseurin mit der Literaturverfilmung von Alina Bronskys „Scherbenpark“einer Jugendlichen aus einer Problemviertel. Dabei stehen in Blümners Projekten jedoch nicht nur die äußeren Umstände im Vordergrund, stets blickt sie hinter die Kulissen.