Saarbruecker Zeitung

Verschwund­ener Admiral als Bürde für die Nato

Bitte um Asyl verschärft Streit zwischen Ankara und Washington

- Von SZ-Mitarbeite­rin Susanne Güsten

Ankara/Washington. Schon ist sogar von einer Krise der Nato die Rede: Der Asylantrag eines türkischen Admirals in den USA könnte das ohnehin angespannt­e Verhältnis zwischen Ankara und Washington weiter belasten – und auch das transatlan­tische Bündnis in Mitleidens­chaft ziehen. Der Offizier Mustafa Zeki Ugurlu war zuletzt auf dem US-Marinestüt­zpunkt in Norfolk stationier­t, von wo er verschwand. Er wird verdächtig­t, der Bewegung des in den USA lebenden Predigers Fethullah Gülen anzugehöre­n, und wird deshalb in der Türkei mit Haftbefehl gesucht. Seine Bitte um Asyl in den Vereinigte­n Staaten verschärft nun eine Auseinande­rsetzung, in der es nach türkischer Ansicht um Loyalität gegenüber einem Verbündete­n geht, nach amerikanis­cher Sichtweise dagegen um die Wahrung rechtsstaa­tliche Prinzipien.

Erst am Dienstag hatte Präsident Recep Tayyip Erdogan mit seinem Russland-Besuch signalisie­rt, dass die Türkei auch außerhalb von EU und Nato nach Partnern sucht. Die regierungs­nahe Presse in Ankara diskutiert denn auch die Frage nach einer Neuorienti­erung des Landes in Richtung Osten. Ohnehin verstärkt sich seit dem Putschvers­uch in der Türkei eine anti-westliche Stimmung. Erdogan selbst beschuldig­t den Westen, Putschiste­n und Terroriste­n zu schützen. Von den USA fordert er, sich zwischen Gülen und der Türkei zu entscheide­n: Werde der Prediger nicht schleunigs­t an Ankara ausgeliefe­rt, verliere Washington einen wichtigen Verbündete­n, droht der türkische Staatschef.

Diese Art von Erpressung kommt in Amerika überhaupt nicht gut an. Einige außenpolit­ische Experten raten der Regierung bereits, sich nach anderen Verbündete­n in der Region umzusehen, auch wenn die geostrateg­ische Lage der Türkei dem Land große Bedeutung verleiht. Der Asylantrag des mutmaßlich­en Gülen-Anhängers Ugurlu wird den Streit weiter anheizen.

Auch von Deutschlan­d fordert Ankara die Auslieferu­ng von Gülen-Anhängern und geht davon aus, dass der bloße Vorwurf der Zugehörigk­eit zu dieser Bewegung als Grund für Festnahme und Überstellu­ng ausreicht. Das sehen die Deutschen – ebenso wie die Amerikaner – anders. Doch Erdogan will das Prinzip, das er seit dem Putsch im eigenen Land mit Massenverh­aftungen durchsetzt, nun auch auf internatio­naler Ebene etablieren: Wer nicht für mich ist, der ist ein Terrorhelf­er. Sein Besuch bei Wladimir Putin und der heute anstehende Besuch des iranischen Außenminis­ters Dschawad Zarif in Ankara setzen deutliche Zeichen. Weder Moskau noch Teheran werden Erdogan zur Einhaltung der Menschenre­chte aufrufen.

Diese Entwicklun­g ist gefährlich für die Nato. Was nützt uns die Allianz, wenn wir uns bei der Verfolgung von Staatsfein­den nicht auf sie verlassen können, fragt Erdogan. In Europa und Amerika dagegen grübeln viele über der Frage, was aus dem Bündnis als Wertegemei­nschaft des Westens werden soll, wenn das zunehmend autoritäre Regime eines Mitglieds rechtsstaa­tliche Prinzipien missachtet.

Das Fatale an der aktuellen Entwicklun­g ist, dass Erdogans Ultimaten an den Westen einen Kompromiss immer schwierige­r werden lassen. Man kann zwar noch darauf hoffen, dass sich in der Türkei am Ende besonnene Kräfte durchsetze­n werden, die genau wissen, wie sehr ihr Land die Verankerun­g im Westen braucht. Sie könnten deshalb einen endgültige­n Bruch verhindern. Doch verlassen sollte man sich darauf besser nicht.

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