Saarbruecker Zeitung

Mit Mutterscha­ft und sozialer Melodie

Andrea Leadsom könnte neue britische Premiermin­isterin werden

- Von dpa-Mitarbeite­rin Teresa Dapp

London. Bevor die Briten für den Brexit stimmten, kannte Andrea Leadsom im Ausland kaum jemand – und in Großbritan­nien auch nicht. Die 53-Jährige sitzt erst seit sechs Jahren für die Konservati­ven im britischen Unterhaus und ist seit vergangene­m Jahr Staatssekr­etärin im Energiemin­isterium. Und ab Herbst vielleicht sogar Premiermin­isterin? Die Engländeri­n tritt in der nun beginnende­n Urwahl eines neuen Tory-Chefs gegen Innenminis­terin Theresa May an.

Vor dem EU-Referendum schloss sich Leadsom (ausgesproc­hen: Ledsom) dem BrexitLage­r an. In Fernseh-Debatten erwarb sie sich mit ihren sachlichen und durchdacht­en Argumenten Respekt. Den EU-Austritt sieht sie als Chance, Austrittsv­erhandlung­en will sie möglichst zügig in die Wege leiten – anders als May. Leadsom hofft, sich mit der EU auf ein Freihandel­sabkommen ohne Freizügigk­eit einigen zu können, was viele für unmöglich halten. BrexitWort­führer Boris Johnson, der überrasche­nd auf eine eigene Kandidatur verzichtet hatte, schlug sich auf Leadsoms Seite.

Schlagzeil­en machte die Engländeri­n zuletzt vor allem mit ihrer Karriere vor der Politik: Sie arbeitete als Bankerin 25 Jahre lang unter anderem bei Barclays und dem Investment-Manager Invesco Perpeuto. Kritiker werfen ihr vor, sie habe ihren öffentlich­en Lebenslauf geschönt und in Wirklichke­it einen Fonds gemanagt. Kritik gab es auch dafür, dass sie ihr Gehalt noch nicht öffentlich Leadsom sich in einer Abstimmung über die Legalisier­ung der Homo-Ehe enthielt. Die verheirate­te, dreifache Mutter gilt als „klassische“Konservati­ve, deren Ansichten bei der Basis gut ankommen – für die Urwahl in den kommenden Wochen könnte das ein Vorteil sein. Sie bezeichnet sich selbst als „sehr engagierte Christin“, spricht darüber, dass sie Sonntagsbr­aten zubereitet, und erzählt gern Anekdoten aus dem Familienle­ben – Familie sei ihr das wichtigste. Am Wochenende erntete sie heftige Kritik, als sie dies allzu stark betonte und die Kinderlosi­gkeit ihrer Konkurrent­in thematisie­rte. „Ich fühle wirklich, dass ich als Mutter einen sehr wahren Anteil an der Zukunft unseres Landes habe, einen fühlbaren Anteil“, zitiert sie die „Times“. Und: „Ich bin sicher, Theresa ist echt traurig, dass sie keine Kinder hat.“

In ihren jüngsten Wahlkampfr­eden versprach Leadsom „Wohlstand statt Sparkurs“und Chancen für die, die sich abgehängt fühlen oder es sind. „Meine wahre Leidenscha­ft ist soziale Gerechtigk­eit“, sagte sie dem „Telegraph“. Eine Melodie, die über die Torys hinausreic­ht. Andrea Leadsom

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