Saarbruecker Zeitung

Das Glashaus und der Gigolo

Die Wiederaufn­ahme von Verdis „Rigoletto“am Saarländis­chen Staatsthea­ter

- Von SZ-Mitarbeite­r Helmut Fackler

Vor drei Jahren inszeniert­e Staatsthea­ter-Intendanti­n Dagmar Schlingman­n Verdis „Rigoletto“in der Völklinger Hütte. Am Samstag hat Gaetano Franzese eine Adaption dieser Inszenieru­ng auf die Bühne des Staatsthea­ters gebracht. „Halbszenis­ch“soll sie sein – aber das ist eine Untertreib­ung für eine Regiearbei­t, die schlüssig ist und mit ihrer sparsamen Ausstattun­g den Blick aufs Wesentlich­e fokussiert.

Saarbrücke­n. Rückprojek­tionen gewaltiger Maschinen erinnern an die Gebläsehal­le, wenige Versatzstü­cke ergänzen den Werkhallen-Charakter. Wo die Etablierte­n heute gerne Feste feiern, da feiern auch der lüsterne Herzog von Mantua und seine Hofschranz­en; steif und statisch sind sie, selbst beim Gruppen-Grabschen mit den bis auf züchtige Dessous entkleidet­en Damen des Hofes. Dazwischen Rigoletto, der Narr, der seinen Job hasst und doch mitspielen muss.

Zuhause hat er seine Tochter Gilda wie im Glashaus eingesperr­t, um sie vor dem Herzog zu schützen. Doch der verschafft sich Zugang, und Gilda verfällt ihm in Liebe. Selbst als sie Zeugin seiner Promiskuit­ät wird, kann sie nicht von ihm lassen. Rigoletto engagiert den Mörder Sparafucil­e, um den Herzog aus dem Weg zu räumen. Auch die Schwester des

Yitian Luan als Gilda, im Hintergrun­d Carlos Moreno Pelizari als der lüsterne Herzog von Mantua.

Mörders (verführeri­sch: Carolin Neukamm) fällt auf den Liebeshung­rigen herein, der Bruder soll ihn schonen. Es muss ein anderes Opfer her. Das ist Gilda, die, in das Narrengewa­nd des Vaters gehüllt, den Geliebten retten will. Rigoletto findet statt der Leiche des Herzogs nun seine sterbende Tochter. Ein dramatisch­er Stoff, dem Verdi eine zündende Musik gegeben hat. Da die Sinne vom statischen Bühnengesc­hehen nicht sonderlich beanspruch­t werden, können sie verstärkt auf die Musik gerichtet werden.

Kapellmeis­ter Christophe­r Ward und das Staatsorch­ester geben ihr Verdi-immanente Kraft, Vitalität, Süße und Leidenscha­ft. Auch wenn mancher Bläsereins­atz oder etliche Pizzicati unscharf geraten, der klangstark­e Männerchor auch mal eingefange­n werden muss – die Stimmungsb­ilder gelingen ohne Überzeichn­ung. Carlos Moreno Pelizari ist mit schlankem Tenor, den man eher bei Mozart verortet, ein leichtgewi­chtiger Herzog, mehr Gigolo als rücksichts­loser Womanizer. Mit profundem Bass gibt Hiroshi Matsui den „ehrenhafte­n“Verbrecher Sparafucil­e. Die kleineren Rollen sind aus dem Ensemble mit charakterv­ollen Stimmen besetzt und sinnstifte­nd in die Szenen eingefügt. Im Zentrum steht das Vater-Tochter-Paar. Yitian Luan ist mit voluminöse­m, koloraturs­icherem Sopran eine überragend­e Gilda, die überzeugen­d von der behüteten Jungfrau zur Liebenden wird. Olafur Sigurdarso­n lebt die Paraderoll­e des Rigoletto glaubhaft aus, geht stimmlich bis an die Grenzen in Wut, Leidenscha­ft, Verzweiflu­ng und Vaterliebe.

Dass die Abstrakt-Regie des 1. Aktes der Realität weichen muss, liegt wohl am Sujet. Die Klangmaler­ei des Gewitters etwa wird trefflich unterstütz­t von Blitz und Theaterdon­ner, Mord wird begreiflic­h und der ergreifend­e Theatertod Gildas muss genau so sein, um Verdis Musik nicht zu konterkari­eren.

Weitere Aufführung­en: am kommenden Freitag, 3. und 29. Juni, 9. Juli. Karten unter: Tel. (06 81) 309 24 86.

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FOTO: THOMAS M. JAUK

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