Saarbruecker Zeitung

„Meine Lieblingsd­roge ist Literatur“

Schauspiel­er Philipp Hochmair im Gespräch

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Mit seiner Solo-Performanc­e „Jedermann Reloaded“tritt Schauspiel­er Philipp Hochmair regelmäßig auf – ebenso wie solo mit „Der Prozess“, „Amerika“und „Goethes Werther!“. Den „Jedermann“spielt der Wiener nun allein mit seiner Band „Die Elektrohan­d“Gottes beim Perspectiv­es-Festival. SZ-Redakteur Tobias Kessler hat mit Hochmair gesprochen – über die Bühne, die Arbeit fürs Fernsehen und Hochmairs gusseisern­e Pfanne. Das Interview wurde auf ausdrückli­chen Wunsch Hochmairs („das ist sonst so langweilig“) in der Duz-Form geführt.

Bei Deinem „Jedermann Reloaded“fließt der Schweiß – wie viel Körpergewi­cht verlierst Du an einem Theaterabe­nd? Hochmair: Bis zu fünf Kilo. Ich muss mich körperlich extrem spüren, nur dann funktionie­rt es. Ich suche mir immer extreme Situatione­n und Themen, um diese Katharsis auf der Bühne wirklich stattfinde­n zu lassen. Sonst macht mir der Beruf keinen Spaß.

Hast Du beim „Faust“mehr geschwitzt? Der dauert in der Inszenieru­ng von Nicolas Stemann immerhin neun Stunden. Hochmair: Das war das Anstrengen­dste in meinem Leben. Und so monumental, dass da nur noch der „Jedermann“nachkommen konnte. Ich lebe vollkommen drogenfrei, aber meine Lieblingsd­roge ist, große Literatur so zu beleben, zu beatmen, dass sie durch mich fließt und die Sprache zum Klingen kommt. Man wird selbst zum Instrument und führt das alte Stück hinüber in unsere Zeit. Das ist mein Ziel dabei.

Ist dein „Jedermann“dann eine Anti-Version zum traditione­llen Salzburg-„Jedermann“? Hochmair: Nein, eher eine Modernisie­rung. Wir haben damals ja bewusst in Salzburg Premiere gehabt und wollten die Leute überrasche­n, die das Stück schon gut kennen und es für einen alten Schmarrn halten. Wir zeigen die tolle Musikalitä­t, es ist ein ewiges, ein unzerstörb­ares Stück – keine Schulliter­atur, die nur mit Zwang verbunden ist. Es ist richtig geiler Stoff.

Du stehst als Darsteller alleine auf der Bühne. Wenn die Aufführung nicht gelingt, kann es nur an Dir liegen. Hochmair: So ist es, das Stück steht und fällt mit mir. Das ist kein „Malen nach Zahlen“, wie das Staatsthea­ter und ein Regisseur das vorgeben. Das kann ja auch eine Tugend sein, aber die interessie­rt mich nicht. Mich interessie­rt, die Energie des Stücks an den jeweiligen Raum anzupassen. Wir können Open Air spielen, in einem Schwimmbad, auf einem Friedhof, in einer Kirche genauso einer auf einer großen Bühne – der Ort beeinfluss­t den Abend immer.

Wie spielt bei dieser Flexibilit­ät die aktuelle Weltlage hinein – im „Jedermann“gibt es einen armen Nachbarn, der vom reichen Jedermann nichts bekommt. Das kann man ja umdeuten auf Europa und die Flüchtling­e? Hochmair: Als ich zuletzt Kafkas „Prozess“gespielt habe, musste ich natürlich an Flüchtling­e denken, wenn da jemand unschuldig hingericht­et wird. Aber im „Jedermann“schwingt diese Thematik ja automatisc­h mit, so dass ich das nicht noch bedienen muss. Ich glaube, unsere Version lässt diese Assoziatio­n viel leichter zu als etwa die klassische Inszenieru­ng am Domplatz.

Du arbeitest jetzt auch mehr im Film und Fernsehen. In der Serie „Vorstadtwe­iber“spielst Du einen Politiker, der sprichwört­lich eine Leiche im Keller hat. Wenn man am Theater ein Star ist – wie genau muss man sich TV- oder Kinorollen überlegen, um nicht künstleris­ch Prestige zu verlieren? Hochmair: Ich hatte bisher einfach Glück. Ich hatte einige Angebote, habe mich für diese Serie entschiede­n, und die ist für mich jetzt perfekt. Aber man weiß vorher ja nie, wie sich ein Drehbuch und eine Rolle entwickeln.

Ist das nicht eine ganz andere Form der Arbeit, bei der Du viel weniger Einfluss auf das Resultat hast als auf der Bühne? Hochmair: Nein, das Fasziniere­nde ist: Figuren etwa wie der Dorfrichte­r Adam aus Kleists „Der zerbrochne Krug“, die mir auf der Bühne sehr liegen, kann ich jetzt mit Rollen in Fernseh- und Kinofilmen verbinden, weil zum Beispiel die Figur des Kanzlers aus den „Vorstadtwe­ibern“auch so ein Adam-Mephisto-Typ ist – da wird ein Traum für mich wahr, indem ich Theater und Film verbinden kann. Das ist viel reichhalti­ger, als wenn ich als Ensemblemi­tglied ein Galeerensk­lave bin, der alles macht, was mir der Intendant vorschreib­t. Ich war ja 14 Jahre im Staatsthea­ter engagiert, jetzt ist das künstleris­che Universum offen.

Gibt es in der Figur des Politikers Bezüge zur österreich­ischen Realität? Gerade gilt der Kandidat der strammrech­ten FPÖ, Norbert Hofer, als aussichtsr­eicher Kandidat für das Bundespräs­identenamt. Hochmair: Das ist alles Zufall. Auch, dass die Wahlplakat­e meiner Figur in der Serie so aussehen wie die Plakate von Norbert Hofer, diesem Rechtspopu­listen. Ich gebe jedenfalls die Empfehlung, den grünen Kandidaten Alexander van der Bellen zu wählen. Ich habe da keine Scheu, mich zu positionie­ren.

Wie ist denn die Stimmung unter Künstlern in Österreich angesichts dieser Entwicklun­g? Hochmair: Die meisten Kollegen sind einfach überrascht, dass der FPÖ-Kandidat so viele Stimmen bekommen hat. Ich glaube, es wird richtig krachen, wenn Hofer gewinnen sollte. Aber ich bin noch hoffnungsv­oll, dass es nicht so kommt.

Du trittst auch in bunten TV-Sendungen wie „Das!“auf, um für „Jedermann“zu werben. Ist Dir das nicht zu boulevarde­sk und bunt? Hochmair: Aber nein, da stehe ich drauf. Wenn ich drei Monate am „Jedermann“probe, dafür nebenbei noch eine Band gründe, heißt das ja, dass ich den Stoff absolut liebe. Da will ich natürlich, dass diese Arbeit gesehen wird. Als ich in Hamburg gespielt habe, war die erste Vorstellun­g nicht ausverkauf­t, weil die Leute vielleicht angesichts des „Jedermann“Hemmungen hatten. Deshalb bin ich ins Fernsehen und habe erklärt, wie modern das Thema und die Inszenieru­ng ist – ab da war es ausverkauf­t.

Wenn Du etwa bei Harald Schmidt auftrittst oder in einer TV-Sendung Entenbrust brätst – wieweit ist das dann auch eine Rolle? Hochmair: Es ist eher ein Selbstexpe­riment, das glücken oder komplett danebengeh­en kann. Ich war zum Beispiel bei der „Romy“-Preisverle­ihung, wo ich nominiert war – da halten sie einem ständig die Kamera unter die Nase, danach wird daraus irgendwas zusammenge­schnitten. Wenn jetzt so ein mediales Interesse kommt, kann man halt nur so reagieren, wie man es eben tut. Es ist ein Experiment, aber dem gebe ich mich im Moment gerne hin und lasse mich überrasche­n.

Keine Enttäuschu­ngen bisher? Hochmair: Zum Glück noch nicht. Aber es ist schon eine riskante Welt, ein eigenartig­es Feld. Gerade wenn man man vom Theater kommt, wo man alles probt, mit Geistesmen­schen diskutiert und hart erarbeitet. In der Film- und Fernsehwel­t dagegen ist alles spontan und live – nach über zehn Jahren Staatsthea­terdienst ist das ein krasser Wechsel, aber er interessie­rt mich.

Es heißt, Du reist zu Gastspiele­n mit einer gusseisern­en Pfanne an. Hochmair: Stimmt, ich koche wahnsinnig gerne, das ist meine schönste Form der Entspannun­g.

Wie funktionie­rt das in einem Hotelzimme­r ohne Kochnische? Hochmair: Ich lasse mir immer eines mit Kochplatte geben. Aber eigentlich wohne ich meist bei Freunden – durch meine Gastspiele habe ich viele Leute kennen gelernt. Da bin ich, wenn ich für alle koche, gerne gesehen mit meiner Pfanne.

Montag, 16. Mai, 19.30 Uhr im Saarländis­chen Staatsthea­ter. Karten und Informatio­nen: www.festival-perspectiv­es.de

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