Der tiefe Fall des Anton Schlecker
Drogerie-König soll einen zweistelligen Millionenbetrag beiseitegeschafft haben
Selten ist die Fallhöhe so enorm: 2006 rühmte sich Anton Schlecker noch, „Alleininhaber des größten Drogeriemarktunternehmens der Welt“zu sein. Zehn Jahre später könnte er ins Gefängnis kommen.
Stuttgart. Die Fragen nach dem Geld waren Meike Schlecker damals genauso unangenehm wie das Blitzlichtgewitter der Kameras. „Es ist nichts mehr da“, sagte die Tochter des einstigen Drogeriekönigs 2012 bei der Pressekonferenz in Ehingen. Schlecker war pleite, das Lebenswerk ihres Vaters Anton zerstört. Meike Schlecker gab sich Mühe, die desolate Finanzlage der Schleckers zu schildern. Ihre Familie habe kein Geld beiseitegeschafft.
Das Unternehmen Schlecker ist Geschichte. Zehntausende verloren ihren Arbeitsplatz. Und das Vermögen? Vier Jahre nach der Pleite klagt die Stuttgarter Staatsanwaltschaft den Ex-Drogerie-König und seine Familie an. Sie ermittelte jahrelang. Kurz vor dem Niedergang seines Drogerieimperiums soll Anton Schlecker in 36 Fällen Millionen beiseitegeschafft haben. Es geht um teure Geschenke, um illegale Ausschüttungen, Überweisungen für nie geleistete Beratungen – es geht um jede Menge Geld, das der 71 Jahre alte Firmenpatriarch vor der Pleite an Frau und Kinder übertragen haben soll, um es vor den Gläubigern zu retten. „Insgesamt ein zweistelliger Millionenbetrag“, sagt Staatsanwalt Jan Holzner.
Darüber hinaus soll Schlecker 2009 und 2010 den Zustand des Konzerns im Konzernabschluss falsch dargestellt und vor dem Insolvenzgericht unrichtige Angaben gemacht haben. Neben dem Firmenpatriarchen sind auch seine Ehefrau Christa, seine zwei Kinder sowie zwei Wirtschaftsprüfer angeklagt. Schleckers Kinder Meike und Lars müssen sich zudem wegen Insolvenzverschleppung und Untreue verantworten. Sie sollen das Logistikunternehmen LDG als faktische Geschäftsführer geschädigt haben: Obwohl sie von den Schulden und Verlusten des Unternehmens wussten, sollen sie sich Millionen Euro als angebliche Gewinne aus dem Geschäftsjahr 2011 ausschütten haben lassen.
2006 rühmte sich Schlecker noch, „Alleininhaber des größten Drogeriemarktunternehmens der Welt“zu sein. Das „Manager Magazin“listete das öffentlichkeitsscheue Familienoberhaupt als Milliardär. Nun könnte er ins Gefängnis kommen. Auf Bankrott in besonders schweren Fällen stehen bis zu zehn Jahre Haft. Vor einem Prozess muss aber das Landgericht Stuttgart die Anklage zulassen. Das wird nun geprüft – und kann sich bis ins kommende Jahr hinziehen.
Achim Neumann hat die Anklage sehnlichst erwartet. „Ich hoffe, und ich denke mit mir auch 27 000 ehemalige Beschäftigte, dass die Familie jetzt endlich zur Verantwortung gezogen wird“, sagt Neumann. Er betreute den Konzern über viele Jahre für die Gewerkschaft Verdi. Die Anklage sei eine Form der Genugtuung für die Beschäftigten. Viele hätten nicht nur ihren Arbeitsplatz verloren: Neumann spricht von „Massenarmut“nach der Schlecker-Pleite. Er glaubt den Vorwürfen der Ermittler. „Das war damals ’ne glatte Lüge, die hatten noch Privatvermögen“, schimpft er.
Tausende ehemalige Schlecker-Mitarbeiter haben bereits für die Fehler von Anton Schlecker büßen müssen. Sie bezahlten mit ihren Arbeitsplätzen für die Fehlentscheidungen des Managements, die in der Pleite mündeten. Für die früheren Beschäftigten wird nun die Anklage eine Genugtuung sein. Erst recht eine Verurteilung. Auch wenn eine mögliche