Saarbruecker Zeitung

Polens Opposition formiert sich neu

Ex-Außenminis­ter Schetyna wird Parteichef der „Bürgerplat­tform“

- Von SZ-Mitarbeite­rin Inna Hartwich

Warschau. Lange hatte er sich im Hintergrun­d gehalten, wenn auch selten leise. Nun ist Grzegorz Schetyna wieder an der Spitze mit dabei – als Parteichef von Polens liberalkon­servativer „Bürgerplat­tform“(PO) und damit als oberster Anführer der Opposition in einem Land, das nahezu jedes Wochenende von einem Anti-Regierungs­protest zum nächsten taumelt. Von den knapp 17 000 Parteimitg­liedern stimmten 91 Prozent für den ehemaligen Außenminis­ter. Mehr als zwei Wochen dauerte die Wahl des neuen Opposition­schefs.

Schetyna sieht sich mit diesem Ergebnis bestätigt, seine Partei gegen die umstritten­e nationalko­nservative Regierung um den ewigen Zürner Jaroslaw Kaczynski als Stimme der Vernunft zu etablieren. Er will mit der PO an der Spitze an die Straßenpro­teste anknüpfen. Derzeit werden diese vor allem von der erst im vergangene­n November gegründete­n Bürgerbewe­gung KOD (Komitee zur Verteidigu­ng der Demokratie) getragen, die im Protest gegen die Politik der Kaczynski-Partei „Recht und Gerechtigk­eit“(PiS) hunderttau­sende Polen quer durchs Land auf die Straße bringt. Schetyna sprach bereits von einer Million Menschen, die er gegen die PiS-Regierung mobilieren wolle.

Gegenwind aus den eigenen Reihen hatte der 52Jährige nicht zu befürchten. Konkurrent­en wie der ehemalige polnische Verteidigu­ngsministe­r Tomasz Siemoniak oder der ExJustizmi­nister Borys Budka hatten bereits im vergangene­n Jahr das Handtuch geworfen. „Die polnische Demokratie ist in einem kritischen Zustand. Diese außergewöh­nliche Situation erfordert außergewöh­nliche Handlungen“, hatte Siemoniak im Dezember seinen Rückzug begründet und Schetyna die Unterstütz­ung zugesagt.

Für den Oberschles­ier ist die Wahl ein solider Weg heraus aus der zweiten Reihe. Weil er die Glücksspie­lbranche unterstütz­t haben soll, hatte der ehemalige polnische Ministerpr­äsident und jetzige EU-Ratspräsid­ent Donald Tusk ihn 2009 brüsk seines Amtes als Innenminis­ter enthoben. Erst seine Konkurrent­in, Tusks Nachfolger­in Ewa Kopacz, hatte Schetyna zurückgeho­lt und ihn im September 2014 überrasche­nd mit dem Außenamt betraut, ihn allerdings immer vorsichtig beäugt. Denn auch Kopacz strebte – hätte die PO die Parlaments­wahlen im vergangene­n Oktober gewonnen – den Parteivors­itz an. Die PO aber scheiterte, verlor nach acht Jahren ihre Macht an die nationalko­nservative PiS. So soll nun der einstige Solidarnos­cMitstreit­er Schetyna, der 1989 als Studentenv­ertreter am Runden Tisch saß und in Polens postkommmu­nistischer Politikwel­t gut vernetzt ist, einerseits die PO einen, anderersei­ts aber auch das Vertrauen der Polen in die Liberalkon­servativen stärken.

An diesen Herausford­erungen wird sich zeigen, ob der studierte Historiker tatsächlic­h der Erneuerer sein wird, den die PO dringend braucht, oder lediglich der Nachlassve­rwalter seiner Partei, der er seit bald 15 Jahren angehört. Im Juni will die „Bürgerplat­tform“ihr neues Programm präsentier­en. Schetyna strebt eine „Partei des breiten Zentrums“an und will näher an die katholisch­e Kirche rücken, denn: „Der konservati­ve Anker muss sehr stark sein.“

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Grzegorz Schetyna

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