Saarbruecker Zeitung

Spion auf dem Armaturenb­rett

Experten streiten auf dem Verkehrsge­richstag über den Einsatz sogenannte­r Dashcams – Juristisch­e Grauzone

- Von dpa-Mitarbeite­r Matthias Brunnert

Goslar. In Russland sind Dashcams schon lange verbreitet. Als russische Autofahrer im Jahr 2013 mit ihren permanent filmenden Minikamera­s zufällig einen niedergehe­nden Meteoriten aufnahmen, gingen die Bilder um die Welt. Auch hierzuland­e lassen immer mehr Autofahrer eine Dashcam laufen (übersetzt etwa: Armaturenb­rett-Kamera). Grund sei wohl die Sorge, sonst nach einem Unfall kein Beweismate­rial zu besitzen, meint der ADAC. Doch ob die Aufnahmen vor Gericht überhaupt zulässig sind, ist nicht geregelt. Der 54. Verkehrsge­richtstag (VGT), der morgen in Goslar offiziell eröffnet wird, will sich deshalb mit dem Thema befassen.

„Eine Dashcam erhöht die Erfolgsaus­sichten einer objektivie­rten, tatsacheng­erechten Beweisführ­ung“, sagt Sven-Erik Wecker von der Deutschen Polizeigew­erkschaft (DPolG). „Die Kameras können auch zum Nachweis von Verkehrsst­raftaten wie Nötigungen und Gefährdung­en dienen, für die bislang ausschließ­lich die brüchigen Beweismitt­el der Aussagen und Erinnerung­en der Verkehrsop­fer vorliegen.“

Auch für den Gesamtverb­and der Deutschen Versichere­r (GDV) liegen die Vorteile der Apparate auf der Hand. „Bei vielen Unfällen lässt sich schneller und einfacher feststelle­n, wer die Schuld trägt“, sagt GDV-Experte

Solche Dashcams, die man an der Windschutz­scheibe anbringt, sind bei Juristen sehr umstritten.

Uwe Cremerius. Das Problem: Derzeit fehle ein verbindlic­her datenschut­zrechtlich­er Rahmen für die Nutzung der DashcamAuf­nahmen. Wer während der Fahrt permanent Personen und Kennzeiche­n filmt, verstößt gegen den Datenschut­z.

Aus diesem Grund steht der Deutsche Anwaltvere­in (DAV) Dashcams im Auto skeptisch gegenüber. „Die Geräte können zwar Unfallherg­änge aufzeichne­n. Damit bieten sie die Möglichkei­t, strittige Sachverhal­te im Straßenver­kehr besser zu beweisen“, sagt Andreas Krämer von der DAV-Arbeitsgem­einschaft Verkehrsre­cht. Durch den dauerhafte­n Einsatz von Dashcams würden aber auch permanent unbescholt­ene Bürger ohne deren Wissen und Einverstän­dnis gefilmt, was die Persönlich­keitsrecht­e verletze.

Ebenso wie Versichere­r und Anwälte fordern die Automobilc­lubs deshalb den Gesetzgebe­r auf, für Klarheit zu sorgen. Dabei müsse einerseits das Recht auf informatio­nelle Selbstbest­immung der aufgenomme­nen Personen geschützt werden, sagt ADAC-Jurist Markus Schäpe. Anderersei­ts müssten Unfallbete­iligte die Möglichkei­t haben, Aufnahmen vor Gericht verwerten zu lassen. Als Ausweg schlägt der ACE den Einsatz elektronis­ch „verplombte­r“Dashcams vor. Eine Verschlüss­elung könne Missbrauch verhindern und sicherstel­len, dass nur Ermittler das Material auswerten können. „Damit wäre auch Gaffer-Videos im Internet ein Riegel vorgeschob­en“, sagt Sprecher Hack.

Damit Unfälle sicher aufgeklärt werden können, plädiert die Gewerkscha­ft der Polizei (GdP) unabhängig von – wie auch immer gearteten – Dashcam-Aufnahmen für eine weiter gehende Maßnahme. „Fahrzeuge sind ja rollende Computer. Man kann sehr viel aus den Speicherge­räten auslesen“, sagt GdP-Sprecher Jan Velleman. „Deswegen fordern wir die verbindlic­he Einführung des Unfalldate­nspeichers.“

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FOTO: KUMM/DPA

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