Saarbruecker Zeitung

Konflikte früher angehen

Die rheinland-pfälzische Erstaufnah­mestelle für Flüchtling­e in Trier platzt aus allen Nähten

- Von dpa-Mitarbeite­r Jörg Fischer

Betten auf dem Flur, Container und Zelte im Hof: In der Erstaufnah­mestelle für Flüchtling­e in Trier herrscht beklemmend­e Enge. Die Leitung versucht, Konsequenz­en aus einer Massenschl­ägerei zu ziehen.

Trier. Weiß steht für Eritreer, Flieder für Iraner und Grün für Albaner. Bunte Schildchen an einer Magnetwand zeigen, wie die Zimmer in der Erstaufnah­mestelle für Asylbewerb­er (Afa) in Trier belegt sind. Menschen aus völlig verschiede­nen Kulturkrei­sen werden hier untergebra­cht – getrennt nach Sprache, Ethnie und Religion. Damit will Afa-Leiter Frank-Peter Wagner und sein Team die zeit- weise konfliktbe­ladene Situation entschärfe­n.

Menschen aus Dutzenden Nationen leben in den drei ehemaligen Kasernenge­bäuden in der Mosel-Stadt unter einem Dach – Konflikte sind vorprogram­miert. Es herrscht beklemmend­e Enge. Auf den Fluren stehen Betten, im Hof wurden Container aufgestell­t, am Wochenende sogar Zelte. Ausgelegt war die Unterkunft einst für nur 844 Menschen, derzeit leben hier etwa 1500 Flüchtling­e. In einer von der Diakonie betreuten Außenstell­e der Trierer Afa sind es fast nochmal so viele. Dort sorgte eine Massenschl­ägerei am Rande eines Fußballspi­els zwischen Syrern und Albanern für Schlagzeil­en (die SZ berichtete). Ein Mensch wurde verletzt, ein Aufgebot der Poli-

Zelte stehen in der Auffangein­richtung in Trier.

zei musste für Ruhe sorgen.

Welche Lehren sind aus solchen Vorfällen zu ziehen? Für Wagner geht es vor allem darum, persönlich­e Streiterei­en im Haus möglichst früh anzugehen. Das würden seine Sozialar- beiter seit jeher tun. Die Flüchtling­e würden auch ermutigt, Beleidigun­gen und andere Straftaten vor Ort sofort anzuzeigen. Zudem patrouilli­eren Polizisten seit einiger Zeit in Uniform übers Gelände, um Präsenz zu zeigen. „Früher waren die in Zivil und kaum zu erkennen“, erzählt Wagner.

Die Gewalt-Eskalation in der Außenstell­e war laut Wagner der bisher schwerste Vorfall dieser Art in Rheinland-Pfalz. Angesichts der zunehmende­n Enge nehmen solche Konflikte tendenziel­l bundesweit zu.

Anlass sind nach der Erfahrung von Wagner meist persönlich­e Rivalitäte­n, die dann regelrecht explodiert­en. Funke im Pulverfass bei der Trierer Massenschl­ägerei war offenbar, dass bei einem lockeren Kick ein syrischer Flüchtling gegen ein albanische­s Team ein Tor schoss. Auch der 24-jährige Obida kommt aus Syrien. Er ist seit zehn Tagen in der Trierer Afa-Hauptstell­e. Er sagt: „Ich fühle mich hier schon sicher, aber manchmal gibt es Konflikte.“Andere Bewohner etwa aus Eritrea schildern die große Enge, die in den Zimmern herrsche. Für all die Menschen ist die Erstaufnah­mestelle nur eine Zwischenst­ation auf dem langen Weg zum begehrten Asyl. Maximal drei Monate sollen sie laut Gesetz hier bleiben, in Trier sind es im Schnitt gerade mal vier bis fünf Wochen. Der Durchlauf sei enorm, sagt Wagner. „Wir kommen nicht mal mehr dazu, die Zimmer zu renovieren, weil sie sofort wieder belegt werden.“

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FOTO: TITTEL/DPA

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