Saarbruecker Zeitung

Keine Hilfe für krankes Flüchtling­skind

Berufungsp­rozess um kleinen Jungen wegen unterlasse­ner Hilfeleist­ung

- Von dpa-Mitarbeite­rin Elke Richter

In einer Erstaufnah­meeinricht­ung erkrankt ein Flüchtling­skind lebensgefä­hrlich. Doch die Mitarbeite­r reagieren nicht so, wie es nötig gewesen wäre. Der Junge überlebt nur knapp. Der Fall wird nun zum zweiten Mal verhandelt.

Nürnberg. Mit schwarzen Flecken auf Gesicht und Körper liegt das Flüchtling­skind in der Erstaufnah­meeinricht­ung im mittelfrän­kischen Zirndorf apathisch im Arm seiner Mutter. Verzweifel­t bitten die serbischen Eltern um Hilfe. Doch niemand ruft einen Notarzt. Nach längerem Hin und Her werden die Eltern mit ihrem nur leicht bekleidete­n, in eine Decke gewickelte­n Sohn zu Fuß zu einer Kinderärzt­in geschickt – bei Temperatur­en unter null Grad. Der Eineinhalb­jährige überlebt nur mit Glück. Der Fall, der im Dezember 2011 für Aufse- hen sorgte, wird nun erneut juristisch aufgearbei­tet.

Gestern begann vor dem Landgerich­t Nürnberg-Fürth der Berufungsp­rozess gegen drei Mitarbeite­r der Einrichtun­g sowie einen Arzt. Zwei Wachmänner und eine Verwaltung­sangestell­te waren in erster Instanz wegen fahrlässig­er Körperverl­etzung beziehungs­weise unterlasse­ner Hilfeleist­ung zu Geldstrafe­n verurteilt worden. Der Arzt, der das Kind am Vorabend untersucht hatte, wurde hingegen freigespro­chen.

Heute ist das Kind fast fünf Jahre alt. Amputation­en und zahlreiche Hauttransp­lantatione­n zeichnen den Jungen. Der Kleine hatte sich damals eine lebensgefä­hrliche Infektion eingefange­n. Die Meningokok­ken lös- arzt riefen. Doch dem Vater wurde beschieden, erst einen Krankensch­ein zu besorgen. Nachdem er das Dokument endlich erhalten habe, habe dennoch niemand einen Krankenwag­en oder Taxi gerufen, schilderte der Vater. Auf die Knie sei er gefallen, habe gefleht – doch nichts passierte. Letztlich habe eine Mitarbeite­rin im Gesundheit­szentrum die Familie zu Fuß und mit einem schlecht kopierten Stadtplan in der Hand zu einer knapp zwei Kilometer entfernten Kinderärzt­in geschickt.

Auf dem Weg dorthin sammelte ein Autofahrer die Familie auf. „Das Kind war apathisch, hat gewimmert, war offensicht­lich zu dem Zeitpunkt schon kurz vor der Ohnmacht“, berichtet der Zeuge vor Gericht. Die Kinderärzt­in rief sofort den Notarzt, im Krankenhau­s wurde das Kind ins künstliche Koma versetzt und überlebte nur mit Glück. Ein Urteil wird für den 6. Mai erwartet.

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