Sprachrohr der einfachen Leute
Wie der Ingenieur Gunter Altenkirch zum Museumschef in Rubenheim und Bewahrer alten Saar-Brauchtums wurde
Das Holz knackt im gusseisernen Ofen, der Wind zischt am Fenster vorbei, und wenn sich Gunter Altenkirch jetzt in einen Schaukelstuhl setzen würde, wäre das die Vollendung der Filmszene. Willkommen beim bekanntesten Märchenonkel des Saarlandes? Tatsächlich befindet sich Altenkirchs Arbeitszimmer in einer niedrigen Stube seines urtümlichen Bauernhauses aus dem 18. Jahrhundert in Rubenheim, einem Ortsteil von Gers- heim. Doch von träumerischer Entrücktheit keine Spur, obwohl man versucht ist, sich wie ein staunendes Kind hinein zu ducken in den „Es-war-einmal“Zeittunnel, der sich auftut, sobald Altenkirch über das spricht, was ihn bereits 65 Jahre beschäftigt: Volkskunde und Aberglaube, Dorfalltag und Arbeiterkultur.
Doch in dieser Gelehrtenstube wird geforscht und geschrieben, analysiert und archiviert, und zwar mit einer geradezu fanatischen Systematik, die schwindeln macht – wie der Kölner Dom. Denn genau so hoch, rechnet Altenkirch vor, sind, aufeinander gestapelt, die 450 000 Karteikärtchen, die er im Laufe seines „Lebensberufs“angelegt hat. Hinzu kommen 50 000 Exponate der Alltagskultur, aufgestöbert vor allem in den 70er Jahren bei Haushaltsauflösungen, auf Flohmärkten und an den Dorfstraßen beim Sperrmüll. Aber Altenkirch sammelt mehr als Gegenstände, er sammelt Informationen – seit seinem achten Lebensjahr. Tausende Zeitzeugen-Interviews hat er geführt, nach der Methode der „Oral History“(Erzählte Geschichte), am liebsten mit Menschen, denen sonst keiner zuhört: mit Nichtsesshaften, Altenkirch spricht von „Vaganten“.
Als er ein Dorfjunge war, kamen noch Peitschenschneider, Besenbinder, Scherenschleifer und Kornmacher nach Beckingen. Dorthin, wo seine Großeltern mütterlicherseits lebten und wohin seine Eltern 1946 aus Ostdeutschland geflohen waren. Neun Jahre danach war Altenkirch Vollwaise. Dann saß er bei seinem Opa oder beim „Winter Willi“und sog Sagen und Erzählungen auf. Zunächst notierte er nur die Schlussformeln, die ihn faszinierten. Bis ihn im achten Schuljahr ein junger Lehrer ermunterte: „Schreib alles auf, was dir die alten Leute erzählen.“Es war oft weder logisch noch verständlich – aber wahr. Als Altenkich Teenager war und bei Röchling eine Fernmeldemonteurlehre machte, war er, wie er sagt, dem kindlichen Kosmos immer noch verhaftet. „Doch ich lernte jetzt, in die irreale Welt rational einzutauchen.“Das war der Anfang.
Immer noch ist Zuhören Altenkirchs Leidenschaft. Das Museum, das er, der handwerklich Begabte, 1988 auf drei Etagen in der Scheune nebenan eingerichtet hat, dient ihm dabei als Forschungslabor. Zunächst, erzählt Altenkirch, hätten ihm die Leute Sachen vorbeigebracht und nach deren Bedeutung gefragt: eingemauerte Schuhe und Katzengerippe (Bauopfer), verkohlte Holzsplitter (Blitzableiter). Mittlerweile ist es umgekehrt: „Die Gegenstände bringen die Menschen zum Reden“, berichtet Altenkirch. Der Schlüsselsatz laute: „Das do kenn ich aach.“Altenkirch ist überzeugt,