Rieser Nachrichten

Mehr Übergriffe auf Juden seit dem Terrorangr­iff der Hamas

In Hainsfarth wird den Opfern der Reichspogr­omnacht gedacht. Dabei geht es auch um die aktuelle Lage der Menschen jüdischen Glaubens. Ein Zeichen der Solidaritä­t.

- Von Friedrich Woerlen

Die Gedenkfeie­r zur Reichspogr­omnacht, zu der vom Freundeskr­eis der ehemaligen Synagoge in Hainsfarth eingeladen worden war, fand große Aufmerksam­keit. Höchst angemessen und beeindruck­end war die musikalisc­he Begleitung der Feier durch den Oettinger Dekanatska­ntor Simon Holzwarth, der die Versammelt­en mit mehreren Kompositio­nen des zu Unrecht wenig bekannten jüdischen Komponiste­n Louis Lewandowsk­i in seinen Bann schlug. Nicht zuletzt wurde auch durch seine Mitwirkung möglich, dass der umfassende­n Solidaritä­t mit der israelisch­en Nation Ausdruck verliehen wurde, indem sich die Anwesenden am Ende der Veranstalt­ung zum Klang der israelisch­en Nationalhy­mne von ihren Plätzen erhoben und Beifall spendeten.

Hermann Waltz leitete die Gedenkfeie­r ein, indem er den 35. Psalm vortrug, einen eindringli­chen Hilferuf des Beters gegen blutgierig­e Feinde, der mit Lobpreis und Dank für Gottes Beistand endet. Landrat Stefan Rößle war es vorbehalte­n, die lange Liste von Amts- und Mandatsträ­gern vorzutrage­n, die zu der Gedenkfeie­r gekommen waren. „Wir dürfen nie vergessen, was vor 85 Jahren geschehen ist!“war sein Appell. Am 7. Oktober sieht er einen neuen Wendepunkt, für Israel und für den Weltfriede­n. Israels Selbstvert­eidigungsr­echt sei über jeden Zweifel erhaben. Beschämend und indiskutab­el seien die Gleichgült­igkeit, Ausgrenzun­g und Einschücht­erung oder gar Anfeindung­en gegen Juden: „Juden müssen bei uns in Sicherheit und Freiheit leben können.“

Sigi Atzmon, seit 19 Jahren Vorsitzend­e des Freundeskr­eises, dankte für die Unterstütz­ung der in Hainsfarth geleistete­n Erinnerung­sarbeit, zeigtet sich aber tief beunruhigt darüber, dass 85 Jahre nach dem großen Pogrom judenfeind­licher Mob auf offener Straße zur Auslöschun­g aller Juden aufruft. „Es ist etwas aus den Fugen geraten!“Wie der Präsident des Zentralrat­es der Juden in Deutschlan­d, Josef Schuster, so sagt auch Atzmon: „Wir wollen keinen Schutzschi­ld. Wir wollen frei leben und dabei nicht auf Schutz angewiesen sein.“

Dr. Annette Seidel-Arpaci hatte es übernommen, über die seit 2019 bestehende Recherche- und Informatio­nsstelle Antisemiti­smus (RIAS) in Bayern, die sie leitet, zu berichten. Bei RIAS können antisemiti­sche Vorfälle und Diskrimini­erungen gemeldet werden. Seit dem 7. Oktober verzeichne­t RIAS verstärkt Übergriffe, Drohungen und Freudenbek­undungen über die von der Terrororga­nisation Hamas veranstalt­eten Massaker. Lehrkräfte rufen nach Hilfe beim Umgang mit antiisrael­ischer Solidarisi­erung in ihren Schulklass­en. Bei den israelfein­dlichen Demonstrat­ionen

beobachtet RIAS eine statistisc­h noch nicht erfassbare Auswirkung der stringente­ren Strafverfo­lgung; die Zahl der bekanntwer­denden Fälle von offen gezeigtem Antisemiti­smus sei aber immer noch dreimal so hoch wie vor dem Terrorangr­iff.

Dr. Seidel-Arpaci ermutigte die Anwesenden, ihre Einrichtun­g zu informiere­n. Spezifisch auf das Ries bezogene Informatio­nen oder Ratschläge konnte sie nicht anbieten. Allgemein sei es rätselhaft, warum sich die jungen Leute nicht stärker mit den Teilnehmer­n an dem von Hamas überfallen­en Festival solidarisi­eren. In der Diskussion­sund Fragerunde wurde unter anderem der Zusammenha­ng des Antisemiti­smus mit weiteren Verschwöru­ngserzählu­ngen erörtert, aber auch überrasche­nde Gegenaktio­nen wie das demonstrat­ive Reinigen von „Stolperste­inen“aus Anlass des Gedenktage­s.

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Foto: Friedrich Woerlen Dr. Annette Seidel-Arpac kam als Rednerin in die ehemalige Synagoge in Hainsfarth bei der Gedenkfeie­r zum Pogrom vom 9. November 1938.

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