Was von der WM übrig bleibt
Noch zwei Tage, und das Leben kehrt vollends in seine alten Bahnen zurück. Dann ist dieser wunderbare Rhythmus aus Nachmittagsund Abendspielen, in deren Zwischenräume ein wenig Körperpflege, Nahrungsaufnahme und soziale Kommunikation geschoben war, endgültig gestorben. Vorbei die WM, die dem Leben Struktur gegeben hat – auch wenn Hund und Garten darunter leiden mussten. Dabei ist es nicht lange her, dass große Teil der Menschheit sehnlichst auf den ersten Anpfiff gewartet haben. Noch im alten Jahr die Tage heruntergezählt haben. 28-mal schlafen bis Weihnachten, 201-mal bis zur WM.
Alles war auf den Tag ausgerichtet. Er kam – bald darauf ging die deutsche Mannschaft. Der Schmerz darüber hielt sich in Grenzen. Keine Tränen, keine Fahnen auf halbmast, kein Trauerflor beim Bäcker. War ja auch kaum zu ertragen gewesen, was Jogis Auswahl in Russland abgeliefert hatte. Und schon gar nicht die Leidenschaft wert, mit der das Land seine Weltmeister begleitet hatte. Die WM ging trotzdem weiter. Sie hat auch ohne Deutschland Spaß bereitet.
Was bleibt? Die Erkenntnis, dass der Ballbesitzfußball spanischer und deutscher Prägung abgewirtschaftet hat. Nicht, wer den Ball lange kreuz und quer schiebt, geht als Sieger vom Platz, sondern wer kühl das eigene Gehäuse schützt und das fremde ohne Umwege bestürmt.
Und sonst? Selten wurde bei einer WM derart hart zugelangt. Effizienz ist gefragt. Für Kunst ist kein Platz mehr. Auch die größten Fußballgötter schrumpfen in dieser Gemengelage auf irdisches Format.
Das führt zu Neymar, der mit der vierfachen Neymar-Rolle ein neues Element im Erschleichen von Freistößen präsentierte. Hat nicht für das Finale gereicht. Dort stehen am Sonntag die beiden Mannschaften, die für unterschiedliche Wege zum Erfolg stehen. Hier die luxuriös ausgestatteten Franzosen mit ihrer Qualität, Kühle und Effizienz – dort die leidenschaftlichen Kroaten, die mit dem Geist des Außenseiters regelmäßig über sich hinauswachsen.
Das verspricht ein großes Finale, dem anderntags in vielen WMKöpfen eine furchtbare Leere folgen wird? Man könnte sie mit Garten und Hund füllen. Darüber hinaus gilt für die Weltmeisterschaft, was auch für Weihnachten gilt. Nach der WM ist vor der WM. Das Wunderbare am Finale in Katar: Wer 2022 seinen Christbaum am 18. Dezember aufstellt, kann nebenbei Endspiel schauen.