Eines der bedeutendsten Adelshäuser Europas
Gerhard Beck referiert über viele Generationen der Grafen und Fürsten zu Oettingen. Die Frage nach der Religion bot viel Konfliktstoff. Auch mit den Nördlingern gab es immer wieder Streit
Oettingen Er ist der Titelheld der 22. Rieser Kulturtage und ein Vortragsabend war seiner Familie gewidmet: Ein Porträt von Ludwig III. Graf zu Oettingen füllt die Titelseite des Programmhefts und liegt damit in zigtausenden Haushalten im Ries und in der Umgebung. Der Oettinger Graf hatte 1267 das Kloster Kirchheim am Ries gestiftet und ist dort 1279 begraben worden. Das Porträt stammt von seinem dortigen Grabmal.
Gerhard Beck aus Holzkirchen, Kreisarchivberater auf der Harburg, referierte im Rahmen der Kulturtage über die Geschichte des Hauses der Grafen und Fürsten zu Oettingen. Passenderweise im Marstall des Residenzschlosses in Oettingen. Gastgeber Albrecht Fürst zu Oettingen-Spielberg begrüßte 100 Besucher, unter anderem Moritz Fürst zu Oettingen-Wallerstein. Dass es heute zwei Fürsten-Linien gibt, die den Namen „Oettingen“führen, liegt an Teilungen der ursprünglichen Familie. Weitere Zweige der Familie erloschen, manch ein Regent hatte sich der Reformation angeschlossen, andere blieben katholisch. Selbst innerhalb von Fürstenpaaren gab es Uneinigkeit über die Konfession. Genug Stoff also, um mehrere Abende zu füllen. Wer ohne Vorwissen kam, dem rauchte bald der Kopf vor lauter Ludwigs und Friedrichs. Nicht nur Väter und Söhne, auch Brüder trugen nicht selten die gleichen Vornamen. Heimatgeschichtlich Vorgebildete und Schloss- und Stadtführer im Publikum erfuhren interessante Details und Zusammenhänge. Im Jahr 1147 wurde erstmals ein „Ludwig Graf zu Oettingen“genannt. Möglicherweise, so Beck, sind auch die Riesgaugrafen aus dem 11. Jahrhundert mit den Oettingern verwandt. Helmerich, der von 1116 bis 1136 Abt von Ellwangen war, stammte angeblich auch aus dem Hause Oettingen. Seit 900 Jahren also gibt es das Adelsgeschlecht, seit 26 Generationen haben die Grafen und Fürsten zu Oettingen ihren Sitz in der Residenzstadt. Die Familie Oettingen zählt damit zu den bedeutenden Adelshäusern Europas.
Die Grafen haben in Oettingen neben dem Residenzschloss ihre Spuren hinterlassen: Konrad II., Jahrgang 1167, nahm am Kreuzzug mit Friedrich Barbarossa ab 1189 teil. Bei seiner Rückkehr gründete er ein Deutschorden-Haus in Oettingen, das erst 1805 aufgelöst wurde. Das Gebäude lag direkt neben dem alten Oettinger Schloss und wurde beim Bombenangriff auf Oettingen 1944 zerstört. Heute steht an der Stelle das Heimatmu- in der Hofgasse. Im 13. und 14. Jahrhundert kam es zu einer Konzentration des Herrschaftsgebiets. Herrschaftssitze wurden erworben: 1250 Wallerstein, 1299 Harburg, 1306 Alerheim, 1330 Flochberg. Drei dieser Burgen wurden im Dreißigjährigen Krieg zerstört, die Harburg besteht bis heute. 1393 und 1398 wurden die Oettinger vom Kaiser mit besonderen Privilegien ausgestattet, wie der Blutgerichtsbarkeit, dem Münzregal, der Jagd- und Zollhoheit. Als Lehensherren hatten sie Lehen bis Ingolstadt und Ulm.
Das Territorium war „abgerundet“, die Oettinger Grafen hatten Macht. Im 15. Jahrhundert wurde die Oettingen-Linie dann geteilt: Die Linie Oettingen-Oettingen schloss sich später der Reformation an und wurde evangelisch. Diese Linie stirbt 1731 aus. Die zweite Linie Oettingen-Wallerstein blieb katholisch. Der Wallersteiner Fürst hieß zu jener Zeit Martin. Seine Frau Anna versuchte, ihren Mann zu beeinflussen und zum „neuen Glauben“zu bewegen. Die Ehe der beiden zerbricht an diesem Konflikt: Martin und die gemeinsame Tochter bleiben in Wallerstein, während Anna zu ihrer Schwester Elisabeth auf die Harburg zieht. Diese ist mit dem evangelischen Ludwig verheiratet. Bei Gerhard Becks Ausfühganz rungen kann man sich vorstellen, dass das Verhältnis dieser „Cousins“sehr frostig gewesen ist.
Anfang des 17. Jahrhunderts teilt sich die Wallersteiner Linie nochmals unter drei Söhnen auf: So entstehen die Linien Oettingen-Spielberg, Oettingen-Wallerstein und Oettingen-Baldern. Ab 1734 und 1774 führt die Linie OettingenSpielberg und Oettingen-Wallerstein den Fürstentitel. Die Baldernseum Linie erlischt 1798, das Erbe fällt an die Wallersteiner Linie.
Zu den bedeutenden Vertretern der Familie zählt Gerhard Beck den Grafen Wolfgang IV. zu OettingenWallerstein. Er führte Friedensverhandlungen mit dem osmanischen Reich im Jahr 1699. Als „Großmutter Europas“könne man Christine Louise bezeichnen. Sie wurde 1671 geboren und war die Großmutter von Kaiserin Maria Theresia. So finde man sie in quasi allen Adelsstammbäumen.
Kriegerische Auseinandersetzungen gab es immer wieder zwischen Nördlingern und Oettingern. Nördlingen war lange Zeit eine Enklave, auf allen Seiten umgeben von Oettinger Gebiet. Besucher der Nördlinger Pfingstmesse wurden bei der Anreise „zur Kasse“gebeten und mussten an Oettingen Zoll entrichten. Aus einem angeblich geplanten Überfall der Oettinger auf die freie Reichstadt wurde nichts, weil ein Schwein auf das offen gelassene Stadttor aufmerksam machte. 1726 ist ebenfalls ein Scharmützel zwischen Oettinger und Nördlinger Soldaten überliefert. Nördlingen bewahrt jedoch seine Unabhängigkeit. 1806 geht das Gebiet der Oettinger an die Königreiche Bayern und Württemberg. Damals war das Gebiet rund 850 Quadratkilometer groß und hatte 60000 Einwohner.