Rieser Nachrichten

Von Feldkreuze­n und Aberglaube­n

Margit Stimpfle erzählt von ihrer Kindheit und zeigt, welche Glaubensze­ugnisse sich im Nordries finden

- VON CHRISTINA ZUBER

Deiningen Als Margit Stimpfle ein kleines Mädchen war, fuhr sie oft mit dem Fahrrad von ihrem Wohnort Hausen zur Oma nach Ehingen. Auf dem Weg kam sie immer am Hexenweihe­rle vorbei. Schon der Name war unheimlich. Und die kleine Margit trat immer etwas schneller in die Pedale, wenn sie an dem Weiher vorbei musste. Unvorstell­bar, dass man auf diesem Weg im Dunkeln oder gar in der Nacht ging. Damals, vor Jahrzehnte­n also, stand an diesem Weiher ein Kruzifix, ein Feldkreuz. Daran kann sich Margit Stimpfle, die heute Lehrerin in Deiningen ist, erinnern. Warum das Feldkreuz genau an dieser Stelle stand und wo es heute steht, das hat die Hausenerin im Rahmen der Rieser Kulturtage im Deininger Diakoniesa­al vorgetrage­n.

Welche Zeichen der Glaube, in diesem Fall vor allem der katholisch­e Glaube, in der Landschaft hinterlass­en hat, das hat Margit Stimpfle schon in ihrer Zulassungs­arbeit an der Universitä­t Augsburg vor 30 Jahren untersucht. „Allein in Hausen gibt es 13 Hofkreuze und 26 Feldkreuze“, berichtet sie – eine ganze Menge für ein 200-SeelenDorf. Es gebe immer einen Grund, warum ein Kreuz genau an dem Ort aufgestell­t wird. Mit der Flurberein­igung sind viele dieser Bezüge verloren gegangen, bedauert Stimpfle.

Zum Beispiel ist ein ganz markantes Feldkreuz nicht mehr dort, wo es einst aufgestell­t wurde: das Hebammen-Kreuz zwischen Herblingen und Utzwingen. Die Herblinger Hebamme hatte Angst, wenn sie zu einer Geburt nach Utzwingen gerufen wurde und nachts zu Fuß unterwegs war. Zum Schutz wurde ein Feldkreuz aufgestell­t, und die Herblinger Hebamme hat auch weiterhin Utzwinger Kindern auf die Welt geholfen. Das sogenannte Mittelweg-Bildstöckl­e, genau zwischen Herblingen und Hochalting­en, steht immer noch dort.

Bekannt ist auch das Marterl Eisenbarth im Oettinger Forst. Dazu erzählt Stimpfle folgende Geschichte: Ein armer Bauer wollte für seine Schweine Eicheln vom Baum schütteln, fiel vom Baum und kam ums Leben. Zum Gedenken wurde ein „Marterl“errichtet. Heute kümmert sich der Naturschut­zverein Seglohe um die Gedenkstel­le. Auch für einen Postboten, der sich an einem Weiher erfrischen wollte und dort ertrank, gibt es ein „Marterl“. Weitere Zeugnisse katholisch­en Glaubens finden sich zum Beispiel in der Mariengrot­te in Fremdingen oder der Friedensei­che von Schopflohe, die 1872 gepflanzt wurde.

Zurück nach Hausen: Gruselige Geschichte­n wurden den Kindern einst erzählt, zum Beispiel, dass Hexen unterwegs seien und das wilde Heer. Diese laute und randaliere­nde Schar bestand – so die Erzählunge­n – aus Reitern ohne Köpfen. Genau am einstigen Hexenweihe­r war der Ritt des wilden Heeres zu Ende. Aus Dankbarkei­t und zur Mahnung wurde das Feldkreuz errichtet. Heute steht es in einem privaten Hof, es wurde „zurückgebr­acht“.

Früher hat man seinen Glauben gerne und überzeugt gezeigt, resümiert Margit Stimpfle. Wenn ein Landwirt an einem Feldkreuz vorbeikam, dann hat er die Mütze oder den Hut „gelupft“und „Gelobt sei Jesus Christus“gesagt. Daran können sich auch viele der über 40 Zuhörer erinnern.

Professor Hans Frei hatte von der Universitä­t Augsburg Prof. Markus Hilpert mitgebrach­t. Er gab eine kurze, wissenscha­ftliche Einführung in das Thema „Zeichen der Frömmigkei­t in der Kulturland­schaft“. Sakrale Elemente wie Kirchen, Klöster und Wallfahrts­orte prägen die Landschaft besonders und erzeugen bei den meisten Menschen „ein Heimatgefü­hl“. Die große Mehrheit dieser Elemente sind jedoch kleine Zeichen, die aus der Volksfrömm­igkeit kommen. „Das ist die treibende Kraft“, so Hilpert. Der Katholizis­mus habe einen typischen Drang, sich darzustell­en. In neuerer Zeit beobachtet der Geograf, dass sich zum Beispiel Vereine um Feldkreuze oder andere sakrale Orte kümmern.

OTermin Am Freitag, 4. Mai, 19.30 Uhr, findet in der Oettinger Volkshochs­chule ein weiterer Vortrag zum Thema „Evange lisch und katholisch. Religion und Volkskultu­r“mit Kreisheima­tpfleger Her bert Dettweiler statt.

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Foto: M. Stimpfle Die Friedensei­che bei Schopflohe wurde 1872 gepflanzt. Sie ist ein besonderes Zei chen des Glaubens, das markant die Landschaft im Nordries prägt.

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