Von Feldkreuzen und Aberglauben
Margit Stimpfle erzählt von ihrer Kindheit und zeigt, welche Glaubenszeugnisse sich im Nordries finden
Deiningen Als Margit Stimpfle ein kleines Mädchen war, fuhr sie oft mit dem Fahrrad von ihrem Wohnort Hausen zur Oma nach Ehingen. Auf dem Weg kam sie immer am Hexenweiherle vorbei. Schon der Name war unheimlich. Und die kleine Margit trat immer etwas schneller in die Pedale, wenn sie an dem Weiher vorbei musste. Unvorstellbar, dass man auf diesem Weg im Dunkeln oder gar in der Nacht ging. Damals, vor Jahrzehnten also, stand an diesem Weiher ein Kruzifix, ein Feldkreuz. Daran kann sich Margit Stimpfle, die heute Lehrerin in Deiningen ist, erinnern. Warum das Feldkreuz genau an dieser Stelle stand und wo es heute steht, das hat die Hausenerin im Rahmen der Rieser Kulturtage im Deininger Diakoniesaal vorgetragen.
Welche Zeichen der Glaube, in diesem Fall vor allem der katholische Glaube, in der Landschaft hinterlassen hat, das hat Margit Stimpfle schon in ihrer Zulassungsarbeit an der Universität Augsburg vor 30 Jahren untersucht. „Allein in Hausen gibt es 13 Hofkreuze und 26 Feldkreuze“, berichtet sie – eine ganze Menge für ein 200-SeelenDorf. Es gebe immer einen Grund, warum ein Kreuz genau an dem Ort aufgestellt wird. Mit der Flurbereinigung sind viele dieser Bezüge verloren gegangen, bedauert Stimpfle.
Zum Beispiel ist ein ganz markantes Feldkreuz nicht mehr dort, wo es einst aufgestellt wurde: das Hebammen-Kreuz zwischen Herblingen und Utzwingen. Die Herblinger Hebamme hatte Angst, wenn sie zu einer Geburt nach Utzwingen gerufen wurde und nachts zu Fuß unterwegs war. Zum Schutz wurde ein Feldkreuz aufgestellt, und die Herblinger Hebamme hat auch weiterhin Utzwinger Kindern auf die Welt geholfen. Das sogenannte Mittelweg-Bildstöckle, genau zwischen Herblingen und Hochaltingen, steht immer noch dort.
Bekannt ist auch das Marterl Eisenbarth im Oettinger Forst. Dazu erzählt Stimpfle folgende Geschichte: Ein armer Bauer wollte für seine Schweine Eicheln vom Baum schütteln, fiel vom Baum und kam ums Leben. Zum Gedenken wurde ein „Marterl“errichtet. Heute kümmert sich der Naturschutzverein Seglohe um die Gedenkstelle. Auch für einen Postboten, der sich an einem Weiher erfrischen wollte und dort ertrank, gibt es ein „Marterl“. Weitere Zeugnisse katholischen Glaubens finden sich zum Beispiel in der Mariengrotte in Fremdingen oder der Friedenseiche von Schopflohe, die 1872 gepflanzt wurde.
Zurück nach Hausen: Gruselige Geschichten wurden den Kindern einst erzählt, zum Beispiel, dass Hexen unterwegs seien und das wilde Heer. Diese laute und randalierende Schar bestand – so die Erzählungen – aus Reitern ohne Köpfen. Genau am einstigen Hexenweiher war der Ritt des wilden Heeres zu Ende. Aus Dankbarkeit und zur Mahnung wurde das Feldkreuz errichtet. Heute steht es in einem privaten Hof, es wurde „zurückgebracht“.
Früher hat man seinen Glauben gerne und überzeugt gezeigt, resümiert Margit Stimpfle. Wenn ein Landwirt an einem Feldkreuz vorbeikam, dann hat er die Mütze oder den Hut „gelupft“und „Gelobt sei Jesus Christus“gesagt. Daran können sich auch viele der über 40 Zuhörer erinnern.
Professor Hans Frei hatte von der Universität Augsburg Prof. Markus Hilpert mitgebracht. Er gab eine kurze, wissenschaftliche Einführung in das Thema „Zeichen der Frömmigkeit in der Kulturlandschaft“. Sakrale Elemente wie Kirchen, Klöster und Wallfahrtsorte prägen die Landschaft besonders und erzeugen bei den meisten Menschen „ein Heimatgefühl“. Die große Mehrheit dieser Elemente sind jedoch kleine Zeichen, die aus der Volksfrömmigkeit kommen. „Das ist die treibende Kraft“, so Hilpert. Der Katholizismus habe einen typischen Drang, sich darzustellen. In neuerer Zeit beobachtet der Geograf, dass sich zum Beispiel Vereine um Feldkreuze oder andere sakrale Orte kümmern.
OTermin Am Freitag, 4. Mai, 19.30 Uhr, findet in der Oettinger Volkshochschule ein weiterer Vortrag zum Thema „Evange lisch und katholisch. Religion und Volkskultur“mit Kreisheimatpfleger Her bert Dettweiler statt.