Schlägerei ohne Schläge
Das Opfer weiß nichts von einer Attacke und weist nach dem Vorfall am Rande eines Fußballfeldes auch keine Verletzungen auf. Beweisaufnahme verläuft im Sande
Nördlingen Es liegt in der Natur der Sache, dass sich in einer Gerichtsverhandlung die Darstellung der Sachverhalte oft stark unterscheidet. Aber in einem Verfahren vor dem Nördlinger Amtsgericht unter Vorsitz von Richter Andreas Krug konnte sich selbst das Opfer weder an die Angeklagten, noch an eine Straftat erinnern und nicht einmal blaue Flecke an sich entdecken.
Dabei erhob die Staatsanwaltschaft in ihrer Anklageschrift schwere Vorwürfe: Vor knapp einem Jahr hätten am Rande eines Fußballspiels in Asbach-Bäumenheim ein 19-jähriger Mann und eine 20-jährige Frau gemeinsam einen 25-Jährigen angegriffen, niedergeschlagen und noch auf ihn eingetreten, als er schon am Boden lag. Die beiden Angeklagten erklärten daraufhin, es habe durchaus „leichte Unstimmigkeiten“in dem kleinen Bewirtungsbereich neben dem Spielfeld gegeben: Der betrunkene 25-Jährige habe der Frau Bier über die Hose gespuckt, was deren Begleiter als „asozial“bezeichnete. Das habe einen kurzen verbalen Streit verursacht, später sei es noch einmal zu einer Schubserei gekommen. Der Begleiter der Frau habe sich entfernt, da sei der 25-Jährige dann betrunken umgestürzt, habe sich an der jungen Frau festgehalten und diese habe ihn mittels eines Schienbeintritts abgewehrt – zu mehr sei es nicht gekommen.
Die Beweisaufnahme vor Gericht erbrachte rein gar nichts: Die Mutter des 19-jährigen Angeklagten, die dabei gewesen war, machte von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht als Angehörige Gebrauch, eine weitere Zeugin konnte aus persönlichen Gründen nicht zur Verhandlung er- scheinen. Das vermeintliche Opfer, der 25-Jährige, konnte sich an überhaupt nichts erinnern, da er, wie er selbst einräumte, völlig betrunken gewesen und schon angetrunken zu dem Spiel gekommen sei. Er wusste nicht einmal, dass die angeklagte Frau neben ihm gesessen war, konnte sich an keinen Angriff erinnern und habe auch keinerlei Verletzungen an sich entdecken können. Einer der Strafverteidiger warf die Frage auf, ob vor diesem Hintergrund überhaupt von der vorgeworfenen schweren Körperverletzung gesprochen werden könne. Der 25-Jährige erklärte, er habe selbst keine Anzeige gestellt und auch keinerlei Interesse an einer Strafverfolgung. Dabei stellte sich heraus, dass die Anzeige erst viel später gestellt wurde – Hintergrund war eine vom Fall unabhängige Auseinandersetzung zwischen Verwandten des 25-Jährigen und den Angeklagten. Die beiden Verwandten befanden sich im Publikum, gaben immer wieder Kommentare von sich und wurden vom Richter mehrmals aufgefordert, nicht zu stören; ansonsten drohe ein Saalverweis. Richter Andreas Krug stellte das Verfahren nach Rücksprache mit Staatsanwältin und Strafverteidigern schließlich wegen Geringfügigkeit ein. Die Verwandten des vermeintlichen Opfers echauffierten sich weiterhin lautstark im und vor dem Saal, doch Richter Krug stellte klar: „Das Verfahren ist beendet.“
Angeklagte sprechen von „leichten Unstimmigkeiten“