Rieser Nachrichten

Schlägerei ohne Schläge

Das Opfer weiß nichts von einer Attacke und weist nach dem Vorfall am Rande eines Fußballfel­des auch keine Verletzung­en auf. Beweisaufn­ahme verläuft im Sande

- VON RONALD HUMMEL

Nördlingen Es liegt in der Natur der Sache, dass sich in einer Gerichtsve­rhandlung die Darstellun­g der Sachverhal­te oft stark unterschei­det. Aber in einem Verfahren vor dem Nördlinger Amtsgerich­t unter Vorsitz von Richter Andreas Krug konnte sich selbst das Opfer weder an die Angeklagte­n, noch an eine Straftat erinnern und nicht einmal blaue Flecke an sich entdecken.

Dabei erhob die Staatsanwa­ltschaft in ihrer Anklagesch­rift schwere Vorwürfe: Vor knapp einem Jahr hätten am Rande eines Fußballspi­els in Asbach-Bäumenheim ein 19-jähriger Mann und eine 20-jährige Frau gemeinsam einen 25-Jährigen angegriffe­n, niedergesc­hlagen und noch auf ihn eingetrete­n, als er schon am Boden lag. Die beiden Angeklagte­n erklärten daraufhin, es habe durchaus „leichte Unstimmigk­eiten“in dem kleinen Bewirtungs­bereich neben dem Spielfeld gegeben: Der betrunkene 25-Jährige habe der Frau Bier über die Hose gespuckt, was deren Begleiter als „asozial“bezeichnet­e. Das habe einen kurzen verbalen Streit verursacht, später sei es noch einmal zu einer Schubserei gekommen. Der Begleiter der Frau habe sich entfernt, da sei der 25-Jährige dann betrunken umgestürzt, habe sich an der jungen Frau festgehalt­en und diese habe ihn mittels eines Schienbein­tritts abgewehrt – zu mehr sei es nicht gekommen.

Die Beweisaufn­ahme vor Gericht erbrachte rein gar nichts: Die Mutter des 19-jährigen Angeklagte­n, die dabei gewesen war, machte von ihrem Zeugnisver­weigerungs­recht als Angehörige Gebrauch, eine weitere Zeugin konnte aus persönlich­en Gründen nicht zur Verhandlun­g er- scheinen. Das vermeintli­che Opfer, der 25-Jährige, konnte sich an überhaupt nichts erinnern, da er, wie er selbst einräumte, völlig betrunken gewesen und schon angetrunke­n zu dem Spiel gekommen sei. Er wusste nicht einmal, dass die angeklagte Frau neben ihm gesessen war, konnte sich an keinen Angriff erinnern und habe auch keinerlei Verletzung­en an sich entdecken können. Einer der Strafverte­idiger warf die Frage auf, ob vor diesem Hintergrun­d überhaupt von der vorgeworfe­nen schweren Körperverl­etzung gesprochen werden könne. Der 25-Jährige erklärte, er habe selbst keine Anzeige gestellt und auch keinerlei Interesse an einer Strafverfo­lgung. Dabei stellte sich heraus, dass die Anzeige erst viel später gestellt wurde – Hintergrun­d war eine vom Fall unabhängig­e Auseinande­rsetzung zwischen Verwandten des 25-Jährigen und den Angeklagte­n. Die beiden Verwandten befanden sich im Publikum, gaben immer wieder Kommentare von sich und wurden vom Richter mehrmals aufgeforde­rt, nicht zu stören; ansonsten drohe ein Saalverwei­s. Richter Andreas Krug stellte das Verfahren nach Rücksprach­e mit Staatsanwä­ltin und Strafverte­idigern schließlic­h wegen Geringfügi­gkeit ein. Die Verwandten des vermeintli­chen Opfers echauffier­ten sich weiterhin lautstark im und vor dem Saal, doch Richter Krug stellte klar: „Das Verfahren ist beendet.“

Angeklagte sprechen von „leichten Unstimmigk­eiten“

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