Die GroKo geht auf Klassenfahrt
Es knirscht vor der Tagung auf Schloss Meseberg
Berlin Wenn das neue Kabinett am Dienstag und Mittwoch im brandenburgischen Barockschloss Meseberg zusammenkommt, hat das Ganze etwas von der ersten gemeinsamen Fahrt einer frisch gebildeten Schulklasse. Bei der es darum geht, sich an der Tischtennisplatte endlich einmal näher kennenzulernen, auf dass aus einem bunt zusammengewürfelten Haufen eine eingeschworene Gemeinschaft werde.
Doch für Bundeskanzlerin Angela Merkel von der CDU ist diese Meseberg-Fahrt die schwierigste ihrer Amtszeit. Nach dem Wahldebakel ist die Autorität der Chef-Pädagogin aus dem Kanzleramt angekratzt und eine so schwierige, aufmüpfige Klasse wie die von 2018 hat sie noch nie erlebt.
Schon innerhalb Merkels Union knirscht es, Innenminister Horst Seehofer musste sie bereits in ihrer Regierungserklärung widersprechen. Anders als Seehofer, der ihr so lange mit seiner Forderung nach einer Flüchtlingsobergrenze zugesetzt hat, findet die Kanzlerin sehr wohl, dass der Islam zu Deutschland gehört. Rauswerfen kann sie den CSUChef nicht. Dann wäre die Union am Ende. Aber nicht einmal in der eigenen CDU hat Merkel Ruhe. Ihre
Immerhin: Die Kanzlerin kann mit Olaf Scholz
parteiinternen Kritiker haben eben ein „konservatives Manifest“beschlossen, obwohl sie den jungen konservativen Lautsprecher Jens Spahn zum Minister gemacht hat. Doch leiser ist der nicht geworden und auf sein Gesundheitsressort beschränkt er seine provokanten Äußerungen schon gar nicht. Mal sagt Spahn, dass Hartz IV nicht gleich Armut bedeute, mal sieht er die Innere Sicherheit in Deutschland in Gefahr – obwohl das Unions-Lager seit 13 Jahren den Innenminister stellt.
Der Koalitionspartner SPD ist mächtig genervt von derlei Tönen – Fraktionschefin Andrea Nahles wirft Spahn und Seehofer übermäßige „Eigenprofilierung“vor. Und bevor die Berliner Minister überhaupt in das 70 Kilometer außerhalb der Hauptstadt gelegene Meseberg aufbrechen, tobt ein Streit um den Familiennachzug für Flüchtlinge mit eingeschränktem Schutzstatus. Innenminister Seehofer will nach Meinung mancher Sozialdemokraten zu harte Maßstäbe anlegen. SPD-Vize Ralf Stegner fürchtet, dass so die vereinbarte Quote von 1000 Personen unterschritten werde, und fordert, verbleibende Kontingente auf andere Monate zu übertragen, sodass in jedem Fall 12000 Familienangehörige von subsidiär geschützten Flüchtlingen kommen können.
Immerhin scheint Merkel in Finanzminister Olaf Scholz einen Verbündeten zu haben, der die Truppe endlich aufs effektive Regieren trimmen möchte. Wer weiß, vielleicht stellt sich doch noch der „Geist von Meseberg“ein. Auf die Frage, ob er einen solchen gespürt habe, hatte der damalige Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD) 2014 geantwortet, dass ihm im Schloss nachts „nur ein Himbeergeist“begegnet sei. Doch ein guter Schnaps muss für die Gruppendynamik ja nicht das Schlechteste sein.