Wie kommt die CSU aus der Krise?
Politikwissenschaftler Werner Weidenfeld warnt die Partei davor, den „Hahnenkampf“zwischen Horst Seehofer und Markus Söder fortzuführen. Wie der Experte das schlechte Wahlergebnis erklärt und warum er empfiehlt, die Macht auf mehrere Schultern zu verteile
Professor Weidenfeld, der Machtkampf in der CSU zieht sich hin. Was haben wir da am Donnerstag gesehen – Schmierenkomödie, Trickserei oder eine Machtdemonstration Seehofers?
Nichts von all dem. Wenn man sich das Machtspiel über die Jahre anschaut, dann ist das ja mehr als ein Fingerhakeln zwischen zwei Politikern, sondern das wird allmählich zu einem bedeutsamen Vorgang politischer Kultur. Das geht viel tiefer, da muss man intensiver drüber nachdenken. Ich habe schon vor Monaten vorhergesagt, dass es diese Phase geben wird.
Und wie kommt die CSU aus dieser Krise wieder raus?
Weidenfeld: Ich würde Seehofer raten, aus dieser Zweikampfsituation herauszugehen und eine Art Zukunftsteam aufzubauen, das über die Zukunft des Freistaats und der CSU nachdenkt. Und das hat er in Ansätzen am Donnerstag gemacht.
Sie meinen den Beraterkreis mit den Ehrenvorsitzenden Edmund Stoiber und Theo Waigel sowie der Landtagspräsidentin Barbara Stamm. Stehen diese altgedienten Politiker wirklich für die Zukunft? Weidenfeld: Ich würde auch diesem ehrenwerten Dreierteam raten, die Idee eines Zukunftsteams aufzunehmen, den Zweierkonflikt dadurch aufzulösen und gleichzeitig den Generationswechsel einzuläuten. Das kann man auf dieser Grundlage ganz gut machen.
Wie könnte das konkret aussehen? Weidenfeld: In diesem Zukunftsteam sollten jüngere CSU-Leute von Manfred Weber (Fraktionschef der Europäischen Volkspartei im EUParlament, d. Red.) bis Markus Blume (Autor des Grundsatzprogramms und stellvertretender Generalsekretär) dabei sein – und schon haben Sie eine ganz andere Konstellation. Der Schritt, mehr Leute einzubeziehen, ist meiner Ansicht nach richtig.
Aber so etwas hat Seehofer am Donnerstag eben genau nicht skizziert … Weidenfeld: Es gehörte zur klassischen Seehofer-Dramatik, am Morgen zu sagen, heute Abend wird alles klar sein, und dann am Abend doch alles offenzulassen. Von solchen Hakenschlägen darf man sich nicht überraschen lassen. Das ist ein klassischer Seehofer. Aber werden Fraktion und Partei und Söder Seehofer diese Hinhaltetaktik durchgehen lassen?
Weidenfeld: Ja, ja. Er hat einen solchen Autoritätsschirm da drüber gespannt mit Stoiber, Waigel und Stamm. Da wird jetzt keine große Revolution ausbrechen, weil die anderen sagen, wir sind doch selbst viel wichtiger. Der Beraterkreis kann ja nicht entscheiden. Die werden nachdenken, bis zum Parteitag Mitte Dezember Vorschläge machen – und dann ist die Sache gelöst.
Welche Doppelspitze kommt dann? Weidenfeld: Ich plädiere dafür, dass es nicht wieder eine Zweierkonstellation gibt. Sondern dass die CSU mehrere Spitzenämter schafft. Das ist eine Definitionsfrage, ob nicht der Hauptvertreter im Bundestag (Landesgruppenchef Alexander Dobrindt, d. Red.) oder andere auf eine höhere Ebene gehoben werden. Wenn die CSU die Führungsfrage wieder auf zwei Personen reduziert, dann gehe ich davon aus, dass Söder Ministerpräsident wird und Seehofer Parteichef bleibt und in Berlin die Dinge regelt.
Würde eine Doppelspitze mit Seehofer und Söder aus Parteiräson funktionieren oder würde es nach kurzer Zeit wieder krachen?
Weidenfeld: Meine Erwartung ist, dass sich die Zukunftsentwicklung nicht auf dieses Tandem konzentriert. Denn wenn die CSU Erfolg haben will, dann braucht sie ein breiteres Personalangebot. Den Leuten weiterhin einen Hahnenkampf vorzuführen, damit sind sie auch in Bayern nicht erfolgreich. Dessen sind die Wähler überdrüssig. Das wissen die beiden. Das Kalkül, dass die Partei bei Wahlen gut abschneiden muss, ist sehr dominant in der gesamten Funktionärsriege. Seehofer und Söder würden ihre Antipathien herunterfahren, sie sind professionell genug. So weitermachen wie in den letzten Jahren wäre die Garantie für eine Wahlniederlage. Sie haben schließlich durch die Inszenierung ihrer Machtspiele zu dem schlechten Ergebnis beigetragen, da gibt es ja gar kein Vertun.
Sie glauben also, wenn die CSU ein breiteres Personalangebot machen würde, dann könnte sie bei den Landtagswahlen im Herbst erfolgreich sein? Weidenfeld: Ja, wenn sie zusätzlich ein attraktives programmatisches Angebot macht. Sie hat sich bemüht mit ihrem Grundsatzprogramm und ihrem Bayern-Plan. Aber das hat alles nicht so recht durchgegriffen.
Warum nicht?
Weidenfeld: Auch die CSU ist Teil der Parteienkrise in Deutschland insgesamt. Und warum gibt es die? Weil das strategische Zukunftsangebot der Parteien zu dürftig ist, da brauchen Sie ja schon ein Mikroskop. Worüber haben die JamaikaSondierer gestritten? Über 20 Euro mehr oder weniger, pekuniäre Details oder CO2-Werte. Wie das Bild der Zukunftsgesellschaft aussehen soll, darüber erfahren Sie nichts. Das ist ein elementares Defizit im Parteienwesen. Auch die CSU muss eine Zukunftsstrategie anbieten, die man sofort begreift. Und sie muss sich vor diesem Hintergrund um die Mitbürger kümmern. Diesen Doppelansatz muss sich die Partei bis zur Landtagswahl hart erarbeiten. Wenn sie das nicht tut, bleibt sie lädiert.
Wird die CSU in der jetzigen Verfassung ein gutes Ergebnis in Koalitionsverhandlungen in Berlin hinkriegen? Weidenfeld: Nein, auch daher sollte sie jetzt schnell zu Potte kommen. Denn dann könnte der erfahrene Bundespolitiker Seehofer gestärkt verhandeln. Ich erwarte aber nicht, dass am Ende eine Koalition zustande kommt, von der es heißt: Da hat die CSU alles durchgesetzt.
Interview: Holger Sabinsky-Wolf
„Wenn die CSU Erfolg haben will, braucht sie ein breiteres Personalangebot.“