Kippt jetzt der Videobeweis?
Der erste Funktionär fordert das Ende des Hilfsmittels. Wie die Technik in anderen Sportarten eingesetzt wird
Augsburg Die Kritik am Videobeweis in der Fußball-Bundesliga reißt nicht ab. Freiburgs Präsident Fritz Keller hat sich nun für dessen Abschaffung in seiner jetzigen Form ausgesprochen. Gestern wurde der bisherige Projektleiter Hellmut Krug von seinen Aufgaben entbunden (siehe eigener Artikel). In anderen Sportarten wird die Technik auf andere Weise angewandt.
Bei welchen Szenen kommt der Videoschiedsrichter in der Bundesliga zum Einsatz?
In vier Fällen sollte das Hilfsmittel eigentlich nur eingesetzt werden: bei Toren, Elfmetern, Roten Karten oder Spielerverwechslungen – also klaren Fehlern und wichtigen Situationen. Dies entspricht dem Leitfaden der Regelkommission International Football Association Board IFAB. Wie in der vergangenen Woche bekannt wurde, hat der DFB jedoch seine Schiedsrichter mittlerweile heimlich angewiesen, selbst bei ersten Zweifeln an der Richtigkeit den Videoassistenten einzusetzen. Dies erklärt die derzeitige Flut an Entscheidungen, die per Videoassistent gefällt werden. Noch im April hatte Krug von etwa zwei Fällen pro Spieltag gesprochen, die auf diese Weise entschieden werden.
Wer sind die Videoschiedsrichter?
Bei den Videoschiedsrichtern handelt es sich um reguläre Schiedsrichter, die in einem Kölner Studio sitzen und sich auf einem Monitor die Spiele ansehen. Alle Bundesliga-Referees wurden vor Beginn entsprechend geschult. Bei Bedarf können sich die Unparteiischen mit einem Supervisor abstimmen. Die endgültige Entscheidung liegt aber beim Schiedsrichter auf dem Platz.
Wo kommt das Hilfsmittel im Fußball noch zum Einsatz?
Seit der vergangenen Saison bei Spielen im niederländischen Pokal und seit dieser Saison in der italienischen ersten Liga. Umstritten ist die Technik aber auch in diesen beiden Ländern. In den Niederlanden etwa hatten Fans beim Spiel Zwolle gegen Utrecht versucht, den Kleinbus der Videoassistenten zu stürmen. Sie waren mit einer Referee-Entscheidung nicht einverstanden gewesen. Seit diesem Vorfall sind die niederländischen Videoassistenten ähnlich wie in Deutschland in einem zentralen Studio untergebracht.
In welchen Ländern wird der Videoschiedsrichter noch getestet?
Derzeit testen Belgien, Frankreich, Portugal, Tschechien, Australien, Brasilien, Katar und die USA die Technik. Bei der WM 2018 will die Fifa die Technik auch einsetzen.
In welchen anderen Sportarten kommt der Videobeweis noch zum Einsatz?
Angewandt wird der Videobeweis – in teils sehr unterschiedlichen Formen – noch beim American Football, Baseball, Cricket, Eishockey, Fechten, Hockey, Ski alpin, Tennis und beim Volleyball.
Wie wird die Technik dort konkret verwendet?
Im Eishockey zum Beispiel kann der Hauptschiedsrichter anhand von Videoaufzeichnungen einer Über-TorKamera kontrollieren, ob ein Treffer korrekt erzielt wurde. Im Ski alpin geht es lediglich darum, ob ein Rennläufer ein Tor korrekt passiert hat. Beim Baseball soll ähnlich wie beim Tennis damit nur entschieden werden, ob ein Ball innerhalb oder außerhalb der Markierungen das Spielfeld verlassen hat. Beim American Football kann der Trainer eines Teams zweimal pro Partie bei entscheidenden Spielsituationen überprüfen lassen, ob der Schiedsrichter bei seiner Entscheidung richtig lag. Hatte der Coach beide Male recht, hat er das Anrecht auf eine dritte „Challenge“. Der Oberschiedsrichter auf dem Feld hat 60 Sekunden Zeit, um die Szene auf einem am Spielfeldrand abgestellten Monitor anzusehen. Ähnlich wird es im Hockey gehandhabt. Auch dort hat jede Mannschaft einmal pro Halbzeit die Gelegenheit, eine Entscheidung anfechten zu dürfen.