Schade um Scholl
VON ANTON SCHWANKHART und frech, kompetent und unangepasst. Er wirkte auch nach neun
unverbraucht und sah zudem so aus, als könne ihn der Bundestrainer im Notfall sofort einwechseln. Erfreulich zudem, dass er sich nicht gescheut hat, seinem Arbeitgeber Ärger zu bereiten. Scholl zu mögen, fällt nicht schwer. Das ging so lange, bis er sein eigenes Spiel spielen wollte. Eines, in dem er auf die Inhalte der Sendung einwirkt. Dafür hat ihn die
nicht aufgestellt. Scholl war als Experte vorgesehen, nicht als Redakteur. Das ist auseinanderzuhalten. Die Trennung wäre spätestens bei der nächsten Grenzüberschreitung gekommen. Besser jetzt. Trotzdem schade um Scholl.
Im Fußball lernt man schnell, dass der Trainer schuld an jeder Misere ist. Wenn der Stürmerstar seine Chancen versemmelt, hat der Trainer dessen Ego zu wenig gebauchpinselt. Wenn sich die Abwehr löchrig wie ein Schweizer Käse präsentiert, hat der Trainer das falsche System gewählt. Und wenn das Team ein Spiel nach dem anderen verliert, hat der Trainer die falschen Leute eingesetzt. Kommt von den Vereinsbossen dann der bedeutungsschwangere Satz „Der Trainer erreicht die Mannschaft nicht mehr“, sind es bis zu seiner Entlassung oft nur noch wenige Stunden.
Steffi Jones hat ihre Mannschaft bei ihrer Feuertaufe als Bundestrainerin während der Europameisterschaft in den Niederlanden nachweislich nicht erreicht. Im ersten Turnier unter ihrer Führung überstanden die Fußballerinnen gerade noch mit Ach und Krach die Vorrunde – im ersten K.-o.-Spiel war Schluss. Selten haben sich die erfolgsverwöhnten deutschen Frauen, die immerhin mit einer olympischen Goldmedaille von Rio angereist waren, so konfus in einem Turnier präsentiert. Welten lagen zwischen den Auftritten in Brasilien, als Erfolgstrainerin Silvia Neid noch die Kommandos gab, und der Vorstellung bei der EM. Dabei ist Neids Nachfolgerin Jones gerade mal zehn Monate im Amt.