Durch die Region geht eine Goldader
Über Augsburg und Ulm verläuft eine Technologieachse mit enormem Potenzial
Alles fing damit an, dass Wirtschaftsvertreter in der Region alarmiert waren, als die Gefahr bestand, Politiker könnten Augsburg und Ulm erneut abhängen. Nachdem einst unter schwäbischem Protest beschlossen wurde, die neue ICE-Strecke von München aus nach Norden nicht über Augsburg und Ulm, sondern Ingolstadt zu führen, drohte eine zweite Niederlage für den wirtschaftsstarken Raum.
Denn Unternehmer sahen früher die Gefahr, dass das Projekt Stuttgart 21 und damit der Ausbau der Bahnverbindung von Stuttgart nach Ulm fallen gelassen wird und stattdessen eine nördlichere Schnellbahnstrecke durch Deutschland von Westen nach Osten entsteht. Nach dem Ingolstadt-Trauma wollten Vertreter der Industrie- und Handelskammern in Augsburg und Ulm eine zweite verkehrspolitische Niederlage unbedingt vermeiden. Um sich strategisch zu rüsten, gaben die Fürsprecher der Industrie und des Handels Gutachten in Auftrag.
Was das Prognos-Institut dabei herausgefunden hat, erweist sich als argumentativer Glücksfall für die Wirtschaftskämpfer aus der Region. Denn bei der Untersuchung des Wirtschaftsraums, der von Karlsruhe über Stuttgart, Ulm, Augsburg, München bis an die österreichische Grenze reicht, kam nicht nur eine, sondern deutsche Wirtschaftsgoldader zum Vorschein – eine Region, die zu den ökonomischen Schwergewichten in Europa gehört.
Irgendwann war dann der Name „Technologieachse Süd“geboren. Entlang der Strecke leben 9,65 Millionen Menschen. Auch sonst kann Tobias Koch vom Prognos-Institut Zahlen vorweisen, die inzwischen bei Politikern in Berlin, Stuttgart und München das Bewusstsein für die Bedeutung der Region geschärft haben.
Denn in dem Wirtschaftsraum mit Riesen wie Daimler, Porsche, Bosch, Kuka, MAN und BMW wird ein Bruttoinlandsprodukt erwirtschaftet, das etwas größer ausfällt als die Wirtschaftskraft Polens. Es fehlt nicht mehr viel und das bayerischbaden-württembergische PowerValley zieht mit der ökonomischen Potenz Schwedens gleich. In dem süddeutschen Seehofer-Kretschmann-Musterländle werden 31,8 Prozent der deutschen Patente angemeldet. Da verwundert es nicht, dass hier 21,4 Prozent der Ingenieure der Republik arbeiten.
Und obwohl entlang der Technologieachse nur 11,9 Prozent der bundesdeutschen Bevölkerung lebt, werden doch knapp 16 Prozent des nationalen Industrieumsatzes erwirtschaftet. All diese Fakten müssen bei den Verantwortlichen gezogen haben: Stuttgart 21 und damit die schnelle Bahnverbindung nach Ulm wird mit Hochdruck gebaut.
Doch die Präsidenten der Industrieund Handelskammern Schwaben (Andreas Kopton) und Ulm (Peter Kulitz) wollen sich auf den Lorbeeren nicht ausruhen und die Goldader für die Region erhalten. Deshalb werben sie in Augsburg gemeinsam dafür, die Standortbedingungen weiter zu verbessern. Auf ihrer Wunschliste an die Politik stehen der Ausbau der noch reichlich lahmen Bahnstrecke von Ulm nach Augsburg, aber auch viel schnellere Datenleitungen. Im letzteren Fall scheint Bayern Baden-Württemberg voraus zu sein.
Natürlich machen die Kammerchefs Druck, um die Autobahn A8 von Ulm nach Stuttgart in einen ähnlich guten Zustand zu versetzen wie die Strecke zwischen München und Augsburg. Damit die Region auch künftig genug Fachkräfte hat, fordern die IHK-Vertreter zudem eine breite Bildungsoffensive. Praktisch dabei: Wann immer sie dicke Bretter in Berlin, Stuttgart und München bohren, haben sie die Fakten zur „Technologieachse Süd“mit im Gepäck. Dabei wollen die Wirtschaftsvertreter „die Stärken einer starken Region stärken“, um den Produktionsstandort auf Dauer abzusichern.