Leidenschaft für das Detail
Der Modelleisenbahnclub Nördlingen stellt mit seinen Anlagen die Realität im Kleinen dar. Ein Mitglied kommt dafür sogar aus Hessen. Was für sie die Faszination ausmacht
Nördlingen Der Kontrast könnte kaum größer sein. Erst geht es vorbei an mächtigen Dampflokomotiven, deren rostiges Metall meterhoch in den Himmel ragt. Ein paar Meter weiter, in einem grünen Postwaggon, fahren niedliche Züge im Kreis, kaum höher als ein Streichholz. Es ist das Reich des Nördlinger Modelleisenbahnclubs. Am Rand des Bayerischen Eisenbahnmuseums mitsamt seinen historischen Lokomotiven gelegen, ist ihr Vorführwaggon ein Paradies für Liebhaber von Miniaturbahnen: Die Strecke ist 20 Meter lang, führt 300 Meter Gleise, auf denen bis zu 40 Züge gleichzeitig fahren können, darunter mehrere Kilometer Kabel. „Hier steckt jahrelange Arbeit drin“, sagt der erste Vorsitzende des Vereins, Hans-Joachim Kollmer.
Bereits seit 1951 bietet der Nördlinger Modellbahnclub eine Plattform für Hobbybastler und -zugführer. Zurzeit engagieren sich im Verein etwa 70 Mitglieder. Sie kommen großteils aus dem Ries, aber auch von weiter weg, etwa aus Günzburg oder sogar Wiesbaden. Jeden Dienstag treffen sie sich ab 20 Uhr im Clubheim Am Hohen Weg. Dabei bauen die Eisenbahnfreunde neue Modelle für ihre Anlagen, basteln an der Elektrik oder arbeiten Schäden auf. „Es gibt immer etwas zu tun“, sagt Kollmer. Denn: Der Verein besitzt mehrere Modellbahnanlagen, die es zu pflegen gilt. Diese werden regelmäßig der Öffentlichkeit präsentiert, etwa im Rahmen der Ausstellungstage des Bayerischen Eisenbahnmuseums und seit 2002 zum jährlichen Weihnachtsmarkt in der Alten Schranne. Gerade auf die Präsenz in der Adventszeit ist der Verein stolz. „Diese Ausstellung hat mittlerweile Tradition in Nördlingen“, sagt Kollmer. Die neueste Anlage, an der der Club arbeitet, bildet Teile des Frankenwaldes nach.
Auch durch Projekte wie dieses möchte der Verein Nachwuchs generieren. Die Modellbahnfreunde betreiben eine Jugendgruppe, die sich ein- bis zweimal im Monat trifft. 15 Kinder und Jugendliche im Alter von acht bis 14 Jahren sind dabei. An älteren Jugendlichen mangelt es. „Bis zum Alter von 13 oder 14 sind Kinder in der Regel begeistert von Modelleisenbahnen“, erentstandene klärt Kassier Jürgen Möhnle, der parallel zu seinem Hobby ein Spielwarengeschäft in der Nördlinger Innenstadt betreibt. „Als Jugendliche finden das Hobby plötzlich viele kindisch und uncool.“Erst nach der Pubertät fänden einige den Weg zurück zur Leidenschaft aus der Kindheit. Die Miniaturwelten haben für Kenner einen ganz besonderen Reiz. „Es ist eine Herausforderung, die Realität im Maßstab 1:87 möglichst detailliert nachzubilden“, sagt Möhnle. „Das Ziel ist es, auf Fotos keinen Unterschied zu erkennen.“
Dafür geben sich die Mitglieder des Modelleisenbahnclubs alle Mühe. Kollmer zeigt ein Haus, dessen Dach und Wände mit dunkler Farbe besprüht sind, um einen dreckigen Eindruck zu erzeugen. Auch sonst strotzt die Anlage im Eisenbahnwaggon vor interessanten Details. Da ist etwa ein KFZ-Mechaniker, der an einem alten Mercedes herumschraubt, ein Autokino, ein Supermarkt und ein belebter Biergarten. Oder die Toilette auf einer Berghütte, deren aufgehende Tür einen Wanderer auf dem stillen Örtchen entblößt. „Wir haben kleine Gags eingebaut“, sagt Kollmer lächelnd.
Neben der Liebe fürs Detail macht den Modellbahnclub letztlich auch das aus, was Vereine im Allgemeinen auszeichnet: Gemeinschaft und Freundschaften. „Viele wurschteln an ihrer eigenen Modellbauanlage alleine im Keller herum“, sagt Kollmer. „Bei uns kommen sie mit Gleichgesinnten zusammen.“