Die lange Fahrt in die Freiheit
Der legendäre „Jeep“wird 75 Jahre alt. Seine Geschichte begann in den Kriegsjahren – und ist beileibe noch nicht zu Ende erzählt
Von Freiheit sprechen Marketingstrategen gerne, wenn sie ein neues SUV unters Volk bringen wollen: „Grenzen überwinden“und „Weiterkommen, wo andere steckenbleiben“sind die Werbebotschaften, mit denen den Kunden Autos schmackhaft gemacht werden sollen, die dann doch nur zwischen Kindergarten und Supermarkt hin und her pendeln. Ein Schicksal, das heutzutage auch die meisten JeepModelle teilen, doch hat der Geländespezialist aus den USA einen ganz besonderen Bezug zur Freiheit: Das Streben danach war vor nunmehr 75 Jahren die treibende Kraft hinter der Entwicklung des ersten Jeeps.
Allerdings ging es damals nicht um ein grenzenloses Abenteuer auf vier Rädern, sondern vielmehr um die Befreiung Europas aus den Fängen der deutschen Nationalsozialisten. Ein leichtes, geländegängiges Auto musste her, das gut zu transportieren war und nach der Landung in der Normandie für müheloses Weiterkommen sorgte. Den Zuschlag der US-Armee sicherte sich die Firma Willys-Overland mit ihrem nach Tetris-Manier stapelbaren Willys MB, der sich nicht zuletzt wegen seines circa 60 PS starken 2,2-Liter-Vierzylinders gegen einen Entwurf von Ford durchsetzte.
Ford durfte dafür bei der Fertigung der nur mit einem Zeltdach versehenen Haudegen mitwirken, alleine hätte Willys die Produktion der gut 630 000 Einheiten wohl nicht geschafft. Heute sind die Veteranen gefragte Sammlerobjekte, und dass immer noch fahren, grenzt fast schon an ein Wunder. Schließlich waren die günstig für den Kriegseinsatz gebauten Geländewagen auf eine Haltbarkeit von nur drei Monaten hin konstruiert worden.
Neben den verbliebenen Originalen hält auch die gesamte Jeep-Palette das Erbe ihres Urahns hoch, angefangen beim Namen (siehe Kasten), der inzwischen zum Gattungsbegriff für das gesamte SUVund Geländewagen-Segment wurde. Ein Erfolg, der sonst nur wenigen Marken wie Tempo oder Uhu vergönnt war – und den wohl auch niemand vermutete. Sonst hätte Willys-Overland sicher nicht bis 1950 gewartet, um sich die JeepMarkenrechte schützen zu lassen. Danach dauert es noch mal gut drei bis mit dem Jeep CJ-3B das erste Auto auf den Markt kam, das diesen Namen offiziell trug.
Im gleichen Jahr erlebte die Firma Willys-Overland allerdings auch den ersten von zahlreichen Eigentüsie mer-Wechseln, unter anderem gehörte sie zu Kaiser-Frazer, AMC, Chrysler und Daimler, bis schließlich Fiat die Zügel in die Hand nahm. Die Design-DNA der Marke hat die zahlreichen Besitzer überJahre, lebt; bis heute tragen alle Jeeps den senkrecht stehenden Kühlergrill mit den markanten sieben Streben, der schon den Willys zierte. Und dessen direkter Nachfolger, der Wrangler, greift seit jeher auch die steile Windschutzscheibe, die runden Scheinwerfer und die trapezförmigen Radkästen auf, die inzwischen auch der kleinste Marken-Vertreter, der Renegade, wieder stolz zur Schau trägt.
Neben den wahren Geländegängern für den harten Offroad-Einsatz hat Jeep schon in den 60er Jahren erkannt, dass Komfort und Lifestyle für viele Kunden ein Kaufargument sind. Mit einem Pick-up ging man auf Kundenfang, was anderen Herstellern allerdings deutlich besser gelang. Erst mit Modellen wie dem Cherokee – einem riesigen Geländewagen mit nur zwei Türen – und seinem viertürigen Ableger Wagoneer nahm das Geschäft Fahrt auf. Und es floriert bis heute: Cherokee und sein größerer Bruder Grand Cherokee verkaufen sich prächtig, und bald schon wird auch der Grand Wagoneer als größter Vertreter der Marke zurückkehren.
Doch nicht nur das, auch an einem Kompakt-SUV zwischen Renegade und Cherokee arbeiten die Amerikaner mit Hochdruck, und außerdem steht die Neuauflage des Wranglers in den Startlöchern, der 2018 die Bühne betritt. Natürlich im gleichen Abenteuer-Anzug wie seine zahlreichen Vorgänger, denn auf schnelllebige Modetrends will sich auch der neue Eigner aus Italien nicht einlassen. Allerdings wird es den neuen Wrangler erstmals seit langem wieder als Pick-up geben.
Bis die neuen Modelle in den Schauraum rollen, versüßt Jeep seinen Kunden die Wartezeit mit 75-Jahre-Sondermodellen, die unter anderem an einer speziellen grünen Lackierung und bronzefarbenen Akzenten zu erkennen sind. Dazu kommen ein paar Innenraum-Details wie auffällige Ledersitze und diverse Ausstattungsextras – beim mindestens 33075 Euro teuren RenegadeSondermodell sind zum Beispiel das Beats-Audiosystem sowie das Glasschiebedach an Bord. Wer Interesse daran hat, sollte allerdings schnell sein: Je nach Modell ist die 75th-Anniversary-Edition stark limitiert, insgesamt stehen für ganz Europa nur 3500 Einheiten in allen Baureihen zusammen zur Verfügung.