Viele Rieser arbeiten bis ins hohe Alter
Der Anteil der erwerbstätigen 65- bis 70-Jährigen hat sich in den vergangenen Jahren mehr als verdoppelt. Außer dem finanziellen Aspekt sind die Beweggründe überraschend
Arbeiten bis 65 und dann der lang ersehnte Ruhestand – immer weniger Menschen entscheiden sich für diese Variante im Rentenalter. Jeder sechste Deutsche zwischen 65 und 70 Jahren arbeitet noch, das gibt der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) bekannt.
Der Beschäftigungsanteil dieser Altersgruppe hat sich in den vergangenen 15 Jahren mehr als verdoppelt. Während im Jahr 2000 bundesweit rund acht Prozent der Älteren noch einer Beschäftigung nachgingen, waren es laut GDV 2015 bereits 16,6 Prozent – im Landkreis Donau-Ries lag die Beschäftigungsquote der 65- bis 70-Jährigen im vergangenen Jahr sogar bei 20,6 Prozent.
Die Anhebung des Renteneintrittsalters ist nur geringfügig verantwortlich für diese Entwicklung, wie eine Auswertung der Initiative „7 Jahre länger“zeigt. Lediglich 15 Prozent der bundesweit rund 665000 Beschäftigten über 65 hatten die Altersgrenze noch nicht erreicht, demzufolge waren 85 Prozent trotz Rentenalter aus anderen Beweggründen erwerbstätig. Warum arbeiten immer mehr Menschen im rentenfähigen Alter?
Drohende Altersarmut ist für viele Ruheständler ein ausschlaggebender Grund, weiterhin berufstätig zu bleiben. Laut einer Studie des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung (BiB) nennen erwerbstätige Rentner unter anderem ein zu niedriges Einkommen als Motivation, trotz möglichen Ruhestands weiter zu arbeiten – wenn auch meist mit deutlich geringeren Arbeitsstunden. Wie die Gewerkschaft NahrungGenuss-Gaststätten (NGG) mitteilt, waren im vergangenen Jahr mehr als 400 Rentner im Landkreis DonauRies auf Grundsicherung im Alter angewiesen – Tendenz steigend. Tim Lubecki, Geschäftsführer der NGG Schwaben, warnt deshalb vor der beschlossenen weiteren Absenkung des gesetzlichen Rentenniveaus.
Überraschend sind die Hauptbeweggründe, die Berufstätige zwischen 65 und 70 laut BiB noch vor dem finanziellen Aspekt nennen: „Spaß an der Arbeit“und „soziale Kontakte“stehen an erster Stelle – kaum zu glauben für manch einen Berufstätigen, der sich den Ruhestand herbeisehnt. Anders betrachtet, erscheinen die Antworten der Rentner mit Altersjob etwas plausibler: Die Wertvorstellungen der Bevölkerung haben sich verändert. Ein Job, der Spaß macht, steht im Vordergrund – immer mehr Menschen wagen den Weg zum Traumberuf, anstatt „nur Geld zu verdienen“. Sind sie am Ziel angekommen, fällt es vermutlich weniger schwer, dieser Tätigkeit auch im Rentenalter noch nachzugehen.
Weitere Beweggründe der Erwerbstätigen mit Altersjob: „Es zeigt sich sehr häufig der Wunsch nach Wertschätzung und individueller Lebensqualität im Alter“, so Dr. Jürgen Deller, Professor für Wirtschaftspsychologie. Mehr Einkommen und soziale Anerkennung auf der einen Seite, eine höhere Belastung durch den Altersjob auf der anderen Seite – ob eine Berufstätigkeit im Rentenalter also für mehr individuelle Lebensqualität sorgt, sei dahingestellt.
Aus Sicht der Unternehmen werden Arbeitnehmer der älteren Generation als wertvolle Mitarbeiter eingestuft. Auch bei der Firma Schwaben Präzision in Nördlingen wird ein Angestellter aus dem handwerklichen Bereich seit dem Renteneintrittsalter auf geringfügiger Basis weiterbeschäftigt. Er kümmert sich seither um Gartenarbeiten und anfallende Reparaturen. Der kaufmännische Geschäftsführer Georg Jaumann beschreibt diese Entscheidung als positiv: „Wir kannten die Fähigkeiten des Angestellten ja schon durch seine vorherige Beschäftigung und sind auch mit der jetzigen Lösung durchweg zufrieden.“
Laut Dr. Peter Lintner, stellvertretender Hauptgeschäftsführer der IHK Schwaben, hat diese Altersgruppe eine tragende Funktion in unserer Wirtschaft. Unternehmen geben oftmals zum Ausdruck, dass gerade Arbeitnehmer über 60 großes Engagement und hohe Zuverlässigkeit im Berufsalltag zeigen. Außerdem könne durch deren Fachwissen und Erfahrung der Fachkräftemangel ausgeglichen werden, so Lintner.
„Natürlich sind uns auch die Schattenseiten und Herausforderungen für Menschen mit Altersjob bewusst“, sagt er. Es sei ein wichtiges Thema, aber eben kein einfaches.