Rieser Nachrichten

Lawinengef­ahr: Lage entspannt sich

Immer mehr Winterspor­tler sind abseits der Pisten unterwegs. Warum der Aufbau der Schneedeck­e in diesem Jahr vielerorts gefährlich ist

- VON MICHAEL MUNKLER

Gestern war das wieder so ein typischer Spätwinter-Tag in den Allgäuer Alpen: strahlende­r Sonnensche­in und makellose, nordseitig­e Pulverschn­ee-Hänge. Für Tiefschnee-Freunde – oder „PowderFrea­ks“– ist das der Stoff, aus dem die Träume sind. „Man muss das einfach erlebt haben, wie das ist, in einen solchen Hang hinein zu fahren. Das ist unbeschrei­blich“, sagt Thomas Bucher, Pressespre­cher des Deutschen Alpenverei­ns (DAV) und selbst passionier­ter Alpinist.

Die Kehrseite des Tiefschnee­Vergnügens: Mehrere Schneebret­tunfälle hatten sich in den vergangene­n zwei Wochen im Allgäu und in Vorarlberg ereignet. Drei Männer im Alter von 63, 71 und 73 Jahren kamen dabei ums Leben. Alle galten als extrem erfahren – zwei von ihnen waren Berg- und Skiführer, einer Bergwachtl­er.

Alpenverei­ns-Sprecher Bucher kennt die Gefahren: Teilweise sei der Schneedeck­enaufbau „superheike­l“. Das klingt zumindest für Laien erstaunlic­h. Denn im gesamten Alpenraum liegt in diesem Winter bekanntlic­h unterdurch­schnittlic­h wenig Schnee. Der aber war zumindest in den Nordalpen immer bei viel Wind oder gar Sturm gefallen. Entspreche­nd haben sich in Rinnen und Mulden sogenannte Triebschne­e-Ansammlung­en gebildet.

Viel gefährlich­er als beispielsw­eise im Allgäu sei derzeit jedoch die Situation in den Zentralalp­en am Alpenhaupt­kamm, bestätigt der Bad Hindelange­r Skibergste­iger und Lawinenexp­erte Christian Rath. Südlich des Inns liege überall zwar noch weit weniger Schnee als an der Alpennords­eite. Doch der im Spätherbst gefallenen Schnee hat sich dort gehalten und darauf ist eine gefährlich­e Gleitschic­ht entstanden, als es im Dezember wochenlang sonnig und relativ mild war. Diese Schicht ist von frischem Schnee überdeckt. „Einen störanfäll­igen Schneedeck­enaufbau“nennen das die Lawinenexp­erten. Wenn Skifahrer oder Snowboarde­r in einen solchen Hang einfahren, können sie ein Schneebret­t auslösen.

Was vielen nicht klar ist: Auch Schneeschu­hgeher sind gefährdet. Auch sie verändern die Verhältnis­se in Hängen und können Lawinen auslösen. Während ein Skitoureng­eher bei der Abfahrt möglicherw­eise aus den rutschende­n Schneemass­en noch entkommen kann, haben die langsamere­n Schneeschu­hgeher praktisch keine Fluchtmögl­ichkeit.

Nach den Worten Buchers sterben in den Alpen im Schnitt pro Winter etwa 100 Menschen bei Lawinenunf­ällen, in den bayerische­n Alpen sind es fünf. Diese Zahlen sind seit Jahren relativ stabil. Obwohl sich die Zahl der Schneespor­tler abseits der Pisten in den beiden vergangene­n Jahrzehnte­n vervielfac­ht hat, haben sich nicht mehr schwere Unfälle ereignet. Alpenverei­nsmann Bucher führt das auf die bessere Sicherheit­sausrüstun­g zurück – „und die Leute sind wohl auch besser ausgebilde­t“. Zur besseren Ausrüstung zählen mittlerwei­le die sogenannte­n ABS-Rucksäcke. Wird ein Sportler von einer Lawine erfasst, löst er den Airbag aus. Zwei aufgeblase­ne Ballons sollen helfen, ihn in den Schneemass­en oben zu halten, sodass er nicht verschütte­t wird. Mittlerwei­le hat sich die Schneebret­t-Gefahr in den Allgäuer und Bayerische­n Alpen entspannt. Gestern wurde sie mit Stufe zwei („mäßig“) angegeben.

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Foto: Andreas Ellinger Für Laien ist es erstaunlic­h: Trotz des geringen Schneefall­s sind in den vergangene­n Wochen etliche Lawinen abgegangen. Unser Bild zeigt Lawinenhün­din Maja mit ihrem Frauchen Karoline Imminger bei der Ausbildung.

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