Die Kanzlerin ist anmaßend
Wer mit dem Finger auf andere zeigt, auf den zeigen drei Finger der gleichen Hand zurück. Bei Angela Merkel ist das nicht anders. So harsch die Kanzlerin die Regierung in Wien für ihren rigiden Kurs kritisiert, so sehr fällt diese Kritik am Ende auf sie zurück. Österreich war ihr engster Verbündeter, anders als der große Nachbar aber hat die kleine Alpenrepublik die Reißleine gezogen und eine Obergrenze für die Aufnahme von Flüchtlingen gezogen. Das kann eine deutsche Kanzlerin gut oder schlecht finden, Österreichs Asylpolitik aber wird noch immer in Wien gemacht und nicht in Berlin.
Mit der Entscheidung, ihre Grenzen zu schließen, haben Slowenen, Österreicher oder Kroaten das Pro- blem nicht gelöst, sondern nur ein paar hundert Kilometer weiter nach Süden verlagert. Damit aber haben nicht sie sich in Europa isoliert – es ist noch immer Angela Merkel, die auf einsamem Posten kämpft. Wenn sie andere Länder auf ihre Seite ziehen will, um eine gemeinsame Lösung zu finden, muss sie ihnen Angebote machen, Kompromisslinien ziehen und bereit sein, auch ihre eigene Position zu hinterfragen. Deutschland ist das größte Land in der EU, daraus aber leitet sich kein Alleinvertretungsanspruch für die europäische Flüchtlingspolitik ab.
Auch in der Politik macht der Ton die Musik. Und den Ton, den Angela Merkel im Moment anschlägt, empfinden nicht nur viele Österreicher als anmaßend.