Die Schiedsrichter-Schwestern
Maike Merz und Tanja Kuttler pfeifen als eins von zwei Frauen-Duos bei der Handball-EM. Als Exotinnen fühlen sie sich längst nicht mehr.
Die Europameisterschaft im eigenen Land ist nicht nur für die deutschen Handballer ein besonderes Turnier. Auch die Schiedsrichterinnen Maike Merz und Tanja Kuttler erleben bei ihrer ersten Männer-EM Gänsehautmomente beim Heimturnier. Der Deutsche Handballbund (DHB) stellt als einziger Verband neben Frankreich zwei Schiedsrichter-Duos. Neben den Schwestern Merz/Kuttler sind noch Robert Schulze und Tobias Tönnies dabei.
„Es ist, wie für jeden Sportler, eine Riesenehre, bei einer Europameisterschaft dabei sein zu dürfen. Das ist das Ziel von jedem, bei so einem Turnier mitmachen zu dürfen. Es ist Wahnsinn, gerade bei der EM hier im eigenen Land, mit den vollen Arenen“, sagt Merz bei einem Medientermin. Sie ist die Ältere der Schwestern ( Jahrgang 1986). Kuttler ist drei Jahre jünger.
Die Begeisterung der Fans spüren auch die beiden Schiedsrichterinnen, die von ganz besonderen Momenten beim Aufwärmen vor ihrem ersten Spiel in Mannheim berichten. Als das Duo auf der Leinwand gezeigt und vorgestellt wurde, brandete Jubel auf. „Es hat uns wahnsinnig stolz gemacht, dass Deutschland auch auf den Rängen hinter uns stand. Es war einfach ein ganz, ganz toller Moment“, sagt Kuttler.
Höhepunkte hatten die beiden Mütter in den vergangenen fünf Jahren in ihrer Schiedsrichterinnen-Karriere viele. Ihr erstes internationales Spiel leiteten sie schon 2015 im Europapokal gemeinsam. Seit 2019 sind sie in der HandballBundesliga der Männer im Einsatz. 2023 pfiffen sie als erste Schiedsrichterinnen aus Deutschland bei der Weltmeisterschaft der Männer, gerade
erst waren sie auch bei der WM der Frauen im Einsatz. In der Saison 2021/22 leiteten sie das ChampionsLeague-Finale der Frauen. Und jetzt stehen bereits zwei Spiele bei der Heim-EM zu Buche.
„Es ist schon brutal viel passiert in den letzten fünf Jahren. Ich glaube, wir profitieren davon, dass wir immer von Schritt zu Schritt gehen und die Momente genießen, und nie irgendwas überspringen und schon einen Schritt zu weit schauen“, sagt Kuttler.
Welche Spiele sie leiten, mache für sie kaum einen Unterschied. Bei den Frauen müssten sie oft mehr laufen. Weil es tendenziell mehr Angriffe
gebe. „Bei den Männern liegen für uns persönlich die Unterschiede vielleicht noch im Stellungsspiel“, sagt Kuttler. Da die Männer im
Durchschnitt etwas größer seien, müssten sie sich in manchen Situationen andere Standorte suchen.
Dass sie im Handball aktiv sein würden, war schon früh im Leben der Baden-Württembergerinnen klar. Beide spielen selbst. Die ganze Familie sei handballverrückt, berichten sie. Onkel, Tanten, Cousins, Cousinen, Eltern seien in der Sportart aktiv – ob als Trainer, Spieler oder eben Schiedsrichterinnen.
Diesen Karriereweg wählten sie bereits als Jugendliche. Einfach war er nicht immer. Auch im Deutschen Handballbund nicht. „Als wir angefangen haben mit der Schiedsrichterei, war schlichtweg die Gleichberechtigung
nicht gegeben. Wir kamen aus Handballkreisen, haben selber nicht schlecht Handball gespielt, uns wurden aber immer männliche Kollegen vorgezogen; in jeglichen Ansetzungen“, erinnert sich Kuttler.
Das sei heute ganz anders in DHB und auch in anderen Verbänden. Dass von Anfang an Gleichberechtigung gegeben sei, sei wichtig. Und natürlich würden sie sich freuen, wenn künftig mehr Frauen bei hochklassigen Turnieren pfeifen würden. Neben den Zwillingen Charlotte und Julie Bonaventura aus Frankreich sind Merz/Kuttler die einzigen Frauen bei der EM.
Fan von einer Quote für Frauen seien sie aber nicht. „Wenn Frauen sich beweisen und die Leistung bringen, muss der Weg für die Frauen offen sein und die Gleichberechtigung gelebt werden“, sagt Kuttler. Man sei auf einem richtigen Weg, ergänzt ihre Schwester. „Man sieht es in allen nationalen Verbänden eigentlich mittlerweile, dass die Frauen auch in den ersten Ligen der Männer unterwegs sind und dadurch entwickeln sich die Frauen auch weiter. Es braucht da eben auch eine gewisse Zeit, bis man auf diesem Niveau ist, das muss wachsen. Das darf nicht zu früh kommen, das hilft auch keiner weiter“, sagt Merz.
Mit ihren internationalen Aufgaben wachsen müssten auch sie selbst noch. Deswegen tauschen sie sich nicht nur mit den Französinnen, die 2017 als erste Frauen bei der Männer-WM im Einsatz waren, und den deutschen Kollegen aus. „In diesem Kreis der absoluten Schiedsrichterelite in Europa kann man eben Dinge lernen, die man sonst in keinem Kurs oder bei keiner Schulung lernen kann“, sagt Merz.
Als Vorbilder dienen die Schwestern im Deutschen Handballbund schon jetzt. Eine Rolle, die sie gerne einnehmen. Inzwischen würden häufig Mädchen und Jungen zu ihnen kommen, und ihnen sagen, sie seien ihre Vorbilder. „Wir geben mittlerweile auch wahnsinnig viele Autogramme, machen ganz viele Fotos mit Fans. Das ist natürlich schön”, sagt Merz.