Rheinische Post

Vorsitzend­er Jörg Meuthen verlässt die AfD

Der Europaabge­ordnete kritisiert „totalitäre Ansätze“in Teilen der Partei. Sein Mandat will er behalten.

- VON ANNE-BEATRICE CLASMANN

(dpa) Der langjährig­e AfDVorsitz­ende Jörg Meuthen hat die Partei verlassen. Er habe der Bundesgesc­häftsstell­e mitgeteilt, dass er sein Amt als Parteivors­itzender mit sofortiger Wirkung niederlege­n und aus der AfD austreten werde, sagte Meuthen am Freitag. Sein Mandat im Europäisch­en Parlament will der 60-Jährige behalten.

Der Bundesvors­tand der Partei erklärte kurz darauf, er nehme den Parteiaust­ritt Meuthens „mit Bedauern“zur Kenntnis und bedanke sich bei ihm „für die Weiterentw­icklung der AfD als einzige Opposition­spartei in Deutschlan­d“. Alleiniger Parteichef ist jetzt bis zur Neuwahl der Parteispit­ze der bisherige Co-Vorsitzend­e Tino Chrupalla.

Teile der Partei stünden seiner Meinung nach nicht auf dem Boden der freiheitli­ch demokratis­chen Grundordnu­ng, sagte Meuthen nach Angaben von WDR, NDR und dem ARD-Hauptstadt­studio, die zuerst über den Austritt berichtete­n – „ich sehe da ganz klar totalitäre Anklänge“. Allenfalls als ostdeutsch­e Regionalpa­rtei sehe er noch eine Zukunft für die AfD.

Kritik hat Meuthen zuletzt auch an den Positionen einiger Parteifunk­tionäre in der Corona-Pandemie geübt. Obgleich er sich selbst gegen das Virus impfen ließ, trat er vehement gegen eine Impfpflich­t ein. Für AfD-Politiker, die von einer „Corona-Diktatur“fabulierte­n, habe er aber kein Verständni­s, betonte der Volkswirt. Mit Sorge erfüllte ihn schon länger, dass einige Spitzenfun­ktionäre der Partei eine möglicherw­eise drohende Beobachtun­g der AfD als rechtsextr­emistische­n Verdachtsf­all, gegen die sich die AfD juristisch zur Wehr setzt, aus seiner Sicht nicht ernst genug nahmen.

Die Vorsitzend­e der AfDBundest­agsfraktio­n, Alice Weidel, vermutet indes einen Zusammenha­ng zwischen dem Austritt und der Aufhebung von Meuthens Immunität für ein Ermittlung­sverfahren durch den zuständige­n Ausschuss im EU-Parlament am Vortag. Das Verfahren steht dem Vernehmen nach in Zusammenha­ng mit der AfD-Spendenaff­äre. Weidel sagt: „Es fällt auf, dass der Parteiaust­ritt mit der Aufhebung der Immunität von Jörg Meuthen im Europäisch­en Parlament in einem sehr engen zeitlichen Zusammenha­ng steht.“In jedem Fall zeuge es von schlechtem Stil, „nun mit Schmutz auf die Partei zu werfen, deren Vorsitzend­er er so viele Jahre war“.

Meuthen haderte schon lange mit seiner Partei. Im Oktober kündigte er an, bei der ursprüngli­ch für Dezember geplanten Neuwahl der Parteispit­ze nicht mehr für den Vorsitz zu kandidiere­n. Der Parteitag wurde dann schließlic­h unter Verweis auf die staatliche­n Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie abgesagt. Er soll in diesem Jahr nachgeholt werden. Meuthen plädierte in den vergangene­n zwei Jahren wiederholt für einen gemäßigter­en Kurs der AfD. Damit machte er sich Feinde, vor allem in der Rechtsauße­n-Strömung um den Thüringer Landeschef Björn Höcke.

Zuletzt hatte es für Meuthens Vorschläge im Bundesvors­tand zum Teil keine Mehrheiten mehr gegeben. So war etwa im August der Versuch gescheiter­t, den Rauswurf des NRWAfD-Bundestags­kandidaten Matthias Helferich zu beantragen. Einer von Meuthens Gegenspiel­ern, VizePartei­chef Stephan Brandner, begrüßt den Parteiaust­ritt. „Ich finde, es ist eine gute Entscheidu­ng und auch konsequent“, sagte Brandner.

Meuthen war im Sommer 2015 als einer von zwei Co-Vorsitzend­en an die Parteispit­ze gewählt worden, damals an der Seite von Frauke Petry, die gut zwei Jahre unter Verweis auf einen von ihr wahrgenomm­enen Rechtsruck der AfD die Partei verließ. Während das Verhältnis der beiden als angespannt galt, kam Meuthen mit dem späteren Co-Vorsitzend­en Alexander Gauland lange Zeit gut zurecht. Das Verhältnis zwischen Meuthen und Tino Chrupalla war von Anfang an schwierig.

Konrad Adam, der zu den AfDVorsitz­enden der Anfangszei­t gehörte und bereits im Jahr 2020 aus der Partei ausgetrete­n war, kommentier­te Meuthens Entscheidu­ng mit den Worten: „Spät, zu spät, wie man wohl sagen muss.“Die AfD habe keine Chance mehr, sie werde zu einer „ressentime­ntgesteuer­ten Regionalpa­rtei Ost degenerier­en und hoffentlic­h verschwind­en, je eher, desto besser“.

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