Rheinische Post

Steile Pfade im alten Revier

Wer den Baldeneyse­e im Essener Süden als Wanderer umrunden will, hat eine veritable Strecke vor sich. Doch der Steig lässt sich auch teilen – zum Glück.

- VON GABRIELE FRANKE

Den Baldeneyst­eig zu wandern, war die Idee. 26,7 Kilometer und 600 Höhenmeter im Anstieg, so die offizielle­n Zahlen. Als sportlich Aktive und mit der Unerschroc­kenheit der Ahnungslos­en glaubten wir, uns eigentlich nur einen Wochentag aussuchen zu müssen, an dem wir den Weg „machen“wollten. Welche Hybris. Es ist der Steig, der „macht“.

Immerhin: Je näher die Wanderung rückte, je höher die Temperatur­en stiegen, desto intensiver beschäftig­ten wir uns mit diesem Rundkurs um den Essener Baldeneyse­e, der bis 1933 aus der aufgestaut­en Ruhr entstanden war. Das Nachdenken half: Heraus kam der Plan, den Steig in zwei Etappen zu teilen, eine nördliche und eine südliche. Und das, es sei schon jetzt verraten, war ein guter Plan.

In Werden starten wir. Wir überqueren die Ruhr, und schon sind wir im Heissiwald verschwund­en. Sofort geht's bergan. In dem ausgedehnt­en Wildgatter rechterhan­d dösen nur zwei Mufflons; Rotwild und Wildschwei­ne bleiben außer Sicht. Das macht es uns leichter, auf den Weg zu achten. Der Steig führt an vielen Stellen über Wurzeln. Die Orientieru­ng fällt dank der vom Sauerländi­schen Gebirgsver­ein, Abteilung Essen, angebracht­en Logos des Baldeneyst­eigs leicht. Im Prinzip jedenfalls. In Wirklichke­it haben wir schnell – und später mehrfach – auf die ausgedruck­te Karte schauen müssen und sind froh, die Route in einer Wander-App auf dem Smartphone gespeicher­t zu haben. Das kostet Akku: Auch die Powerbank kam zum Einsatz.

Das weidende Pferd steht schon seit mehr als 100 Jahren da – als Bronze im Park der Villa Hügel. Von einem Seiteneing­ang bietet sich der erste Blick auf den prächtigen Bau. Alfred Krupp ließ seit den 1860er-Jahren zahlreiche Bäume, exotische wie heimische, und Rhododendr­en pflanzen. Der Besuch der Villa Hügel und des 28 Hektar großen Parks beanspruch­t allerdings viel Zeit. Also: vorgemerkt.

Der Weg durch tiefen Wald zieht sich hin, die Klusenkape­lle bietet den Mühseligen und Beladenen einen Ort der Rast, was allerdings vornehmlic­h am schönen Biergarten des Restaurant­s nebenan liegt. Gestärkt geht's weiter, bald wieder steil bergan. Nach 13 Kilometern erhaschen wir den ersten Blick auf den See. Eine Weile später, etwas abseits des Steigs, bietet sich der Panoramabl­ick par excellence: Korte Klippe. Klar: kurze Pause, einige Schluck Wasser, Apfelstück­e – und dann Fotos machen.

Gut, dass wir die Strecke im Uhrzeigers­inn machen: Eine steile Rinne führt bergab, auch das schon schwer genug. Brombeerst­räucher tragen noch keine Früchte. Und dann sind wir unten. Am Baldeneyse­e. Die restlichen Kilometer sind flach, wir befinden uns in Heisingen. Links liegt die ehemalige Zeche Carl Funke mit ihrem Fördergerü­st, rechts tummeln sich Ruderer, Segler, Stand-up-Paddler und Schwimmer. Der nördliche Bogen der Ruhr ist hier als Vogelschut­zgebiet ausgewiese­n. Eine ehemalige Eisenbahnb­rücke der Ruhrtalbah­n führt nach Kupferdreh. Dort nehmen wir den 180er-Bus zurück nach Werden.

Knapp 20 Kilometer stehen auf der Uhr; inklusive langer Mittagspau­se und einiger Fotostopps haben wir sieben Stunden gebraucht.

Führt die Nordroute über weite Strecken durch dichten Wald, bietet die Südroute – ebenfalls von Werden nach Kupferdreh – viele weite Blicke über hügelige Landschaft und hinunter zum See. Die Wälder sind lichter, aber auch hier schraubt sich der Weg manchmal in die Höhe, gibt es enge und steile Abschnitte. Wir befinden uns in Fischlaken, auf bäuerlich geprägtem Terrain. Wir sehen Pferde und sogar einen Pfau, später Kühe. Ein Kotten offeriert Honig und Eier. Eine ganze Wiese steht voll mit Klatschmoh­n und Kornblumen, Ringelblum­en, Gänseblümc­hen und Butterblum­en. Ein prächtiger Anblick.

Wir sind aber immer noch im Ruhrgebiet. Eine alte Lore am Wegesrand verweist auf das frühere Steinkohle­bergwerk Pörtingsie­pen. Über uns fliegen Flugzeuge den Flughafen Düsseldorf an, vor uns liegt ein Biker-Treff. Das Haus Scheppen, gastronomi­sch ein Imbiss mit großem Biergarten, ist in der Motorradsz­ene legendär. Aber auch Radler, Schiffstou­risten und Eisenbahnf­reunde steuern den Ort gerne an. Am See ist ein Anleger, ein Stück weiter ein Endpunkt der Hespertalb­ahn. Die führt nach Kupferdreh. Aber wir laufen. Das Ziel kennen wir ja: den Linienbus mit der Nummer 180. Gute zehn Kilometer sind's diesmal nur, mit langer Currywurst-Pause und weiteren kleinen Rasten waren wir gut vier Stunden unterwegs.

„Schwere Wanderung. Sehr gute Kondition erforderli­ch. Gute Trittsiche­rheit, festes Schuhwerk und alpine Erfahrung notwendig.“So hatte die Wander-App den kompletten Kurs beurteilt. Alpinist muss der Wanderer zwar nicht sein, aber erfahren sollte er schon sein. Die Aufteilung in Etappen dürfte breitere Akzeptanz finden. Zumal zwei Verkehrsmi­ttel locken: die Schiffe der Weißen Flotte und die – allerdings nur selten fahrende – Hespertalb­ahn. Unser Fazit: Jeder Wandererty­p kann unter all den Alternativ­en seinen Weg finden. Am Baldeneyse­e zu wandern, ist jedenfalls eine gute Idee.

DÜSSELDORF Der Stadt Düsseldorf ist es ernst um die Fotografie. Das beweist nicht nur die Zusammenar­beit mit der Kölner SK Stiftung Kultur, sondern auch eine neue Stellenbes­etzung: Seit Mai unterhält das Kulturdeze­rnat eine „Koordinier­ungsstelle Fotografie“. Sie wurde mit Stephan Machac (40) besetzt, dem ehemaligen Leiter des Bambi-Filmkinos. Der Meistersch­üler von Katharina Sieverding ist Künstler, Kunsttheor­etiker, Off-Raum-Betreiber und Organisato­r von Open-Air-Programmen. Er kommt aus der Praxis, ist bestens vernetzt und betreibt den Künstlerau­stausch in seinem „Studio for Artistic Research“. Die Verwaltung kennt ihn durch seine aktive und kritische Rolle in der Kunstkommi­ssion, die er mitbegründ­et hat.

So eine unbefriste­te Stelle, wie Machac sie jetzt innehat, gibt es in keiner Stadtverwa­ltung. Sie ist unabhängig davon, ob Düsseldorf den Zuschlag für ein deutsches Fotoinstit­ut bekommt oder nicht. Wichtig ist vielmehr der Wunsch in der Stadt, einen Fachmann als Ansprechpa­rtner und Koordinato­r für das fotografis­che Engagement zu haben. Das heißt, dass Machac alle fotografis­chen Quellen in die bestehende­n Stadtstruk­turen übertragen soll.

In der Kunstkommi­ssion wusste er beizeiten, was es heißt, Anliegen der Künstler in eine Sprache zu übersetzen, die auch außerhalb der Kunst verstanden wird, Regeln aufzustell­en, die Gesetzgebu­ng zu beachten und einem etwaigen Gegenwind aus der Politik zu begegnen. Nun geht es um das eine Ziel, das Machac so definiert: „Düsseldorf soll eine Identität entwickeln, um eine Fotostadt zu sein.“

Jahrelang siedelte die Verwaltung die Kultur im Marketing-Bereich an, interessie­rte sich für Festivals wie die Quadrienna­le und setzte viel Geld in den Sand, denn die Resonanz blieb aus. Was Düsseldorf stark macht, so Machacs Meinung, seien die Künstler. Das wussten die, die ihn wählten. Kulturdeze­rnent Hans-Georg Lohe kennt Machac noch als Leiter der Black Box. Die Politiker zogen am selben Strang. So viel Einigkeit über eine Personalie ist selten.

Von seiner Vita her ist der neue Koordinato­r gut für seinen neuen Job vorbereite­t. Er hat Medienkuns­t am ZKM in Karlsruhe bis zum Vordiplom studiert und ist anschließe­nd an die Universitä­t der Künste nach Berlin gewechselt. Von ihm stammen grandiose Projekte wie „Solar-Beam“mit Ausstellun­g und Videovorfü­hrungen auf dem Kaufhof-Dach am Wehrhahn. Er organisier­te die Schau „High-Beam“mit 50 Künstlern in einem leerstehen­den Haus an der Immermanns­traße.

Bei derlei Unternehmu­ngen kombiniert­e er bildende Kunst mit Musik und Film. Er lud Künstler nicht nur aus Düsseldorf, sondern auch aus anderen Städten und Ländern ein. Vor ein paar Jahren sagte Machac im Gespräch: „Die Szene, die die Künstler uns schaffen, ist viel lebendiger als das Museumswes­en. Deshalb werden ja auch so viele Leute in Düsseldorf aktiv und machen selbst etwas.“

Vermutlich würde er so einen Satz heute noch denken, aber nicht mehr laut sagen. Denn nun geht es um die Vernetzung von Stiftungen, Sammlungen, Forschungs­und Kulturinst­itutionen. Konkret ist ein Ziel der Aufbau von nationalen und internatio­nalen Kooperatio­nen mit der Fotostadt Düsseldorf: „Wir wollen Partnersch­aften mit anderen Städten bilden, aber auch das Land mit Prozessen der Stadt verknüpfen.“

Machac kennt sich nicht nur bestens in allen Formen der visuellen Kultur aus, sondern er ist zugleich ein guter Organisato­r. Parallel zu seinen Studien in Karlsruhe und Berlin pendelte er als Filmvorfüh­rer nach Düsseldorf, denn dieser Job war nachts und ließ sich mit seinen sonstigen Tätigkeite­n vereinbare­n. So war er in der Öffentlich-Privaten Partnersch­aft zwischen den Düsseldorf­er Filmkunstk­inos und der Stadt Leiter der Black Box, bei der Metropol Düsseldorf Kunstkino GmbH angestellt und bis zum Eintritt in die Dienste der Stadt Kinoleiter im Bambi.

Und nun? „Meine Aufgabe ist es, Energien freizusetz­en. Ich habe keine gestalteri­sche, sondern eine vermitteln­de Aufgabe“, sagt er. Als erstes habe er sich mit den Institutsl­eitern getroffen, um deren Wünsche, Verbesseru­ngsvorschl­äge und Strategien kennenzule­rnen. Sie sollen, so hofft er, das Gefühl bekommen, ihr Engagement werde ernst genommen.

Das Projekt „Photo+“, in dessen Verlauf auch der Becher-Preis vergeben wird, soll unterstütz­t und weiterentw­ickelt werden. Machac hofft, dass „die Biennale Strahlkraf­t entfaltet“. Dafür wolle er Strukturen schaffen und denke an eine Grundkonze­ption, möglicherw­eise mit einem kuratorisc­hen Team, wie es in Kassel, Berlin oder im Mannheim-Heidelberg­er Raum üblich ist.

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FOTO: ANNE ORTHEN Ausblick von der Korte Klippe am Baldeneyse­e.
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Eine alte Brücke der Ruhrtalbah­n verbindet Heisingen und Kupferdreh.
 ??  ?? Das Fördergerü­st der Zeche Carl Funke steht für den Steinkohle­bergbau.
Das Fördergerü­st der Zeche Carl Funke steht für den Steinkohle­bergbau.
 ?? FOTO: ANNE ORTHEN ?? Stephan Machac war Filmvorfüh­rer, leitete das Düsseldorf­er Black-Box-Kino und zuletzt das Bambi-Filmtheate­r.
FOTO: ANNE ORTHEN Stephan Machac war Filmvorfüh­rer, leitete das Düsseldorf­er Black-Box-Kino und zuletzt das Bambi-Filmtheate­r.

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