Helga T. durchschaute die Masche falscher Polizisten.
Immer häufiger bringen falsche Polizeibeamte und andere Trickbetrüger Senioren um ihr Geld – die Drahtzieher sitzen meist im Ausland. Eine 65-Jährige aus Düsseldorf überführte einen mutmaßlichen Beteiligten, der nun vor Gericht steht.
DÜSSELDORF Es ist lange her, dass Helga zu den beliebtesten Mädchennamen zählte. Vor mittlerweile 90 Jahren führte der Name die Statistiken an – die meisten Helgas dürften heute also hochbetagt sein. Helga T. aber ist erst 65 und alles andere als eine alte Frau. Schnellen Schrittes geht sie in ihren Turnschuhen in den Zeugenstand. Dort sagt sie aus, weil sie einen mutmaßlichen Trickbetrüger überführt hat. Ein 26-Jähriger aus Neuss muss sich vor dem Düsseldorfer Amtsgericht wegen versuchten Betruges als falscher Polizeibeamter verantworten.
Ihr Name, so nimmt Helga T. es an, ist der Grund dafür, dass am 29. Oktober 2019 gegen 9.15 Uhr ihr Telefon klingelt. Unter einer Kölner Nummer meldet sich ein vermeintlicher Polizist. In der Nähe ihres Wohnortes an der Friedrich-Ebert-Straße habe es einen Überfall gegeben, die Täter seien flüchtig, sagt der Mann. Und die Gefahr sei hoch, dass auch bei Helga T. eingebrochen werde. Darum solle sie ihre Wertsachen zur sicheren Verwahrung an die Polizei geben.
Trickbetrug gibt es in allen möglichen Formen – die Masche der falschen Polizeibeamten kommt immer wieder und immer häufiger vor. In stundenlangen Telefonaten manipulieren die Betrüger die zumeist älteren Menschen, die sie anhand ihrer alt klingenden Namen aus dem Telefonbuch kontaktieren, warnt das Landeskriminalamt NRW. Sie erzählen überzeugende Geschichten wie die des Überfalls, gewinnen langsam das Vertrauen der Opfer, die ihnen schließlich Bargeld, Schmuck und andere Wertsachen übergeben. „Straftaten zum Nachteil älterer Menschen mit überregionaler Tatbegehung“heißen diese Betrugsdelikte in der polizeilichen Kriminalitätsstatistik. 102 Inlandstaten registrierte die Düsseldorfer Polizei im vergangenen Jahr – ein Anstieg von 44 Prozent. Nicht einmal jeder sechste Fall wird aufgeklärt. Der Großteil der Fälle führt die Ermittler ins Ausland: 1540 Taten alleine in Düsseldorf waren es im vergangenen Jahr. Fast 1000 davon mit der Masche der falschen Amtsträger, mehr als 200 Mal der Enkeltrick. Dass die Täter in beinahe allen Fällen aus Callcentern im Ausland agieren, macht die Ermittlungen und die Überführung besonders schwer. Häufig enden sie an der Landesgrenze.
Für die Opfer ist der Betrug zunächst schwer zu durchschauen. Teilweise erscheint im Display sogar die Nummer 110, unter der die Polizei aber nie Menschen kontaktiert. Auch Helga T. hält den Anruf durchaus für glaubwürdig, berichtet die 65-Jährige vor dem Amtsgericht. Auf dem Weg zu ihrer Wohnung kommen ihr aber Zweifel. „Dass ich überhaupt angerufen wurde, kam mir komisch vor“, sagt sie. „Und es war die Art und Weise, wie die Person sprach. Ich habe ihn nicht für einen Polizisten oder einen Staatsanwalt gehalten.“
Also wählt Helga T. die Nummer der echten Polizei und erfährt, dass es keinen Überfall gegeben hat. „Sollen wir das weiter durchziehen?“, fragt sie die Polizei. Zwei Beamte kommen bei ihr vorbei, damit sie gemeinsam die Betrüger überführen. Mehrere Stunden und zig Telefonate dauert es. Helga T. gaukelt vor, sie habe 42.000 Euro, eine teure
Uhr und Schmuck in einem Bankschließfach, die sie nun abhole. Sie packt ein Paket, in das sie Altpapier statt Bargeld steckt. Schließlich fordert der angebliche Polizist am Telefon, sie solle den Beutel aus dem Fenster ihrer Wohnung im ersten Stock werfen.
Unten auf der Straße steht der 26 Jahre alte Angeklagte und wartet. Er habe, so verliest es seine Anwältin, am Abend zuvor einen Anruf von einem Bekannten bekommen, der seinen Militärdienst in der Türkei verrichtet. Der alte Bekannte habe ihn gebeten, für ihn ein Paket von seiner Sekretärin abzuholen – an der Friedrich-Ebert-Straße. Der 26-Jährige, der als Kurierfahrer selbstständig ist, habe sich bei dem Freundschaftsdienst nichts gedacht, so die Aussage. Was er da transportieren soll, habe er nicht gewusst. Als das Paket auf dem Asphalt landet und er es aufhebt, greift die Polizei zu und nimmt den jungen Mann fest. In seinem Auto finden die Ermittler mehrere Tausend Euro Bargeld. Ob das die Summe für den Transport oder, wie der Angeklagte behauptet, für die Investition in ein neues Kurierfahrzeug ist, bleibt unklar.
Und wieder einmal führt die Spur ins Ausland: Das Callcenter, das Helga T. kontaktierte, sitzt in der Türkei, ebenso der Bekannte des Angeklagten. Der mutmaßliche Hintermann wird zur Fortsetzung des Prozesses am 3. August als Zeuge geladen. Dass er tatsächlich erscheint, ist aber unwahrscheinlich.