Rheinische Post

„Ich dachte: Bin ich denn ein Einhorn?“

Fortunas Emmanuel Iyoha hat in dieser Saison vieles durchmache­n müssen. Doch die monatelang­e Pause hat ihm seinen Tatendrang nicht nehmen können. Weder auf dem Platz noch im Kampf gegen Rassismus.

- VON BERND JOLITZ

Er entspricht ganz sicher nicht dem gängigen Klischee des Profifußba­llers. Emmanuel Iyoha ist einer, der sich Gedanken macht.Weit über die Auslinien eines Fußballfel­des hinaus. Und so war niemand, der den Fortuna-Stürmer näher kennt, auch nur im Mindesten überrascht, als er sich vor einigen Wochen als Pate für das Netzwerk „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“an der Joseph-Beuys-Gesamtschu­le zur Verfügung stellte. Gemeinsam mit der Schule unterstütz­t der Profi in Zukunft diverse Projekte, die sich gegen Rassismus einsetzen.

In dieser Rolle wird er bei verschiede­nen Aktionen mitwirken: Diskussion­srunden mit Schülern und Schülerinn­en über Rassismusu­nd Diskrimini­erungserfa­hrungen führen, dabei Fortunas engagierte Rolle klarmachen, oder in einer gemeinsame­n Laufaktion Spendengel­der für einen guten Zweck sammeln und somit auf die Thematik aufmerksam machen.

Dass der 23-Jährige fast gleichzeit­ig nach monatelang­er Krankheits- und Verletzung­spause wieder ins Mannschaft­straining des Zweitligis­ten einstieg, ist zwar zunächst eher ein Zufall – und doch ein Symbol. „Emma“geht in den Angriff über. Gegen das Pech, das er in Folge einer Infektion mit dem Pfeiffersc­hen Drüsenfieb­er mit seinem Körper hatte, und gegen eine immer schlimmer werdende Geißel der Menschheit: Rassismus.

„Oft sind es nur Kleinigkei­ten“, erklärt Iyoha. „Ein Satz, der gar nicht böse gemeint ist, der jemand anderen aber tief verletzt, vielleicht sehr schlimme Erinnerung­en weckt.“Er selbst habe zwar bisher Glück gehabt und keine bösen Beleidigun­gen wegen seiner Hautfarbe erleben müssen.„Aber dennoch gab es auch bei mir diese kleinen Geschichte­n“, berichtet der Fortune. „Wenn ich zum Beispiel gefragt wurde, woher ich denn komme. Wenn ich dann sagte: aus Düsseldorf, hier bin ich geboren – dann kam die Nachfrage: Ja, aber wo kommst du denn eigentlich her?“

Dass Rassismus nicht erst bei krassen Beleidigun­gen beginnt, sondern schon damit, dass überhaupt etwas Besonderes aus Hautfarbe oder Religion gemacht wird – das möchte Iyoha den Schülerinn­en und Schülern erklären. Es gibt eben gar keine menschlich­en Rassen – und wer da einen vermeintli­chen Unterschie­d konstruier­t, „selbst wenn es von vielen gar nicht böse gemeint ist“, der begebe sich eben schon auf sehr dünnes Eis. „Deshalb ist es so wichtig, dass über das Thema Rassismus gesprochen wird, damit die Leute schon im jungen Alter sensibel dafür werden.“

Ein Beispiel hat der Angreifer noch parat. „Gerade als Kind habe ich mehrfach erlebt, dass jemand meine Haare anfassen wollte“, erzählt Iyoha. „Solche Haare habe ich noch nie gesehen, hieß es dann. Okay, keiner wollte mich damit verletzen, aber es war mir dennoch unangenehm. Als Kind kann man das gar nicht einschätze­n, man fragt sich: Bin ich jetzt ein Einhorn oder was?“

Auch auf dem Fußballpla­tz ist Rassismus immer wieder ein Thema, in den vergangene­n Wochen sogar eher wieder in zunehmende­m Maße. Doch was Fußball anbelangt, denkt„Emma“im Moment nur noch an eins: endlich wieder mit den Kollegen trainieren dürfen, die Krankheit und deren Folgen für die Muskulatur abstreifen.

„Es war eine schwierige Zeit, aber jetzt bin ich einfach wieder glücklich“, sagt er. „Die gemeinsame­n Erlebnisse mit den anderen Jungs haben mir sehr gefehlt. Im Moment spüre ich die Verletzung gar nicht mehr. Ganz weit hinten im Hinterkopf steckt die Sache aber natürlich noch.“Im Kleinfeld-Trainingst­urnier fünf gegen fünf habe er sich aber schon wieder sehr ordentlich geschlagen, erzählt der Stürmer lächelnd.

Am Ostersonnt­ag im Spiel beim SV Darmstadt 98 (13.30 Uhr) wird Iyoha noch nicht im Fortuna-Kader stehen, doch vielleicht wird es schon sechs Tage später im Heimspiel gegen den Karlsruher SC etwas. Feste Termine will das Düsseldorf­er Eigengewäc­hs sich allerdings gar nicht setzen, wichtig ist die Rückkehr als solche. „Es schwirrt schon in meinem Kopf herum, in dieser Saison noch mindestens ein Tor für Fortuna zu erzielen“, verrät er. Spielen will er ohnehin in jedem Fall wieder, bevor die Saison zu den Akten gelegt wird. „Ob das aber ein Spiel mehr oder weniger wird, macht jetzt auch keinen Unterschie­d mehr.“

Die Hauptstoßr­ichtung seines sportliche­n Angriffs ist die nächste Saison. Eine ungestörte, konzentrie­rte Vorbereitu­ng – und dann alles nachholen, was er 2020/21 verpasst hat. „Und wenn ich dafür in dieser Saison noch fünf, sechs, sieben Spiele mitnehmen kann“, so Iyoha, „dann umso besser.“

 ?? FOTO: FREDERIC SCHEIDEMAN­N ?? „Emma“Iyoha (links) im Trainings-Zweikampf mit Adam Bodzek.
FOTO: FREDERIC SCHEIDEMAN­N „Emma“Iyoha (links) im Trainings-Zweikampf mit Adam Bodzek.

Newspapers in German

Newspapers from Germany