Warten auf den Spargel
Bis der erste Freiluftspargel auf den Tellern liegt, dauert es wohl noch ein bisschen. In diesem Jahr ist das köngliche Gemüse spät dran; dafür ist die Nachfrage umso größer.
DÜSSELDORF Wegen der zuletzt anhaltend niedrigen Temperaturen lässt der erste Freiluftspargel des Jahres noch ein bisschen auf sich warten. „Ich rechne damit, dass es wetterbedingt vor Ostern auf jeden Fall nichts wird mit dem ersten Freiluftspargel – eher in denWochen danach“, sagt ein großer Produzent aus dem Rheinland.
Die Nachfrage seiner Kunden nach dem ersten frischen Spargel vom Feld sei aber schon so gewaltig, dass er seinen Namen nicht öffentlich nennen will. „Dann würde mein Telefon gar nicht mehr stillstehen. Das ist jetzt schon extrem. Die Leute wollen ihren Spargel haben, sie sind richtig euphorisiert“, sagt er. Demnach gibt es auch Anrufer, die nicht akzeptieren wollen, dass es derzeit noch keinen Freiluftspargel gibt – und am Telefon zum Teil ungehalten reagieren. „Ich erkläre denjenigen zwar, dass es wegen der mangelnden Sonne noch nicht so weit ist“, berichtet der Produzent: „Sie sagen aber dann, dass sie im vergangenen Jahr um die Zeit schon Spargel gehabt hätten. Was soll ich darauf noch antworten?“
Die Sehnsucht nach dem„weißen Gold“scheint bei vielen Menschen tatsächlich groß zu sein; auch andere Spargelbauern berichten von gestiegener Nachfrage. „Es sind trotz Lockdowns auch viele Restaurants dabei. Sie wollen ‚Spargel to go' anbieten“, sagt der Spargelbauer, der sich vor Anfragen kaum retten kann. Und noch einen Trend hat er festgestellt:„Zunehmend junge Menschen fragen nach frischem Spargel, den sie selbst zu Hause zubereiten können“, sagt er. „Sonst sind die Jüngeren vor allem in Restaurants zum Spargelessen gegangen, weil sie den Aufwand für die Zubereitung scheuten.“
Landesweit gibt es Hunderte Betriebe, die meisten liegen im Rheinland und Münsterland. Die größten Anbaugebiete in NRW liegen in den Kreisen Kleve und Viersen. Rund 18.000 Tonnen des königlichen Gemüses wurden von den Spargelbauern in NRW im vergangenen Jahr geerntet. Das macht rund 20 Prozent der gesamtdeutschen Produktion aus. Dabei war 2020 aufgrund der Pandemie kein gutes Jahr für die Branche – wegen des coronabedingten Einreiseverbots herrschte Mangel bei den Erntehelfern, die vornehmlich aus Osteuropa kommen. Nun aber herrscht wieder Optimismus. „Wir haben genug Erntehelfer“, sagt der große rheinländische Spargelbauer.
Dank einer Warmwasserheizung aus dem benachbarten RWE-Tagebau Hambach hat der Bedburger Spargelbauer Johannes Nagelschmitz in dieser Woche schon mit der Ernte begonnen. Am Dienstag habe er mit zwölf Helfern rund 500 Kilogramm gestochen, die Menge werde jetzt langsam hochgefahren, sagte Nagelschmitz. „Wir sind sehr zufrieden, die Stangen sind schön weiß und dick.“Nagelschmitz liegt damit deutlich vor anderen sogenannten Ernteverfrühern, die teils mit mehreren Schichten Abdeckfolien übereinander den Spargel früh zur Reife bringen wollen.
Der Spargelbetrieb profitiert davon, dass RWE am Tagebau Bodenwasser aus bis zu 300 Metern Tiefe abpumpt, um den Tagebau trockenzuhalten. Das Wasser ist etwa 25 Grad warm, die Abwasserleitungen laufen direkt an Nagelschmitz' 15-Hektar-Feld in Elsdorf vorbei. Landwirt und Energiekonzern testeten in einem gemeinsamen Pilotprojekt die Nutzung des Wassers als Heizung für den Boden. Die Kosten würden geteilt, sagte RWE-Projektleiter Manuel Endenich. Der Landwirt wird dieses Wochenende mit dem Hofverkauf starten. Auch Nagelschmitz bestätigt: Die Nachfrage sei gerade in der Anfangszeit groß. Er rechne mit Preisen von 16 bis 18 Euro pro Kilogramm in der Spitzenzeit.
Und wann gibt es den ersten Freiluftspargel? „Erste Stangen werde ich in meinem Hofladen sicher nach Ostern anbieten können. Aber große Mengen sind das noch nicht“, sagt der rheinländische Großproduzent. Die reguläre Ernte für Freilandspargel werde angesichts der bisher niedrigen Temperaturen und des bedeckten Himmels tagsüber wohl erst Mitte oder Ende April beginnen. Bei viel Sonnenschein kann der Spargel etwa 0,75 Zentimeter pro Stunde wachsen. „Die Sonne wärmt den Boden. Daher ist sie für dasWachstum des Gemüses wichtiger als hohe Temperaturen“, sagt der Spargelbauer und fasst zusammen: „Kurzum: Mit der Sonne kommt auch der Spargel.“