Die schrecklichen „Brüder im Nebel“
Auf diesen Tag haben alle gewartet. Gläubige, Beschuldigte, Verantwortliche, Betroffene vor allem. Mit der Veröffentlichung des Kölner Missbrauchsgutachtens sollte endlich Klarheit entstehen über das, was über viele Jahre jungen Menschen in Sakristeien, auf Jugendfreizeiten, in Pfarrhäusern von sogenannten Seelsorgern angetan wurde. Das Ergebnis ist erschütternd. Aber wer hätte anderes erwartet nach den Erfahrungen aus den vergangenen zehn Jahren, in denen eine Missbrauchswahrheit nach der anderen publik wurde? Das karge Ergebnis aufseiten der Verantwortlichen: Kardinal Woelki bleibt,Weihbischof Dominikus Schwaderlapp geht, Erzbischof Stefan Heße wohl auch, zudem wird schwere Schuld den verstorbenen Kardinälen Höffner und Meisner attestiert. Welche Worte finden sich für die Taten von 202 Beschuldigten und den zum Teil herzlosen Umgang mit Opfern? Abscheulich? Entsetzlich? Das Abgründige gibt sich in scheinbar nebensächlichen Details zu erkennen: So bewahrte etwa Kardinal Meisner Missbrauchsfälle in einem Geheimordner auf. Er beschriftete ihn mit „Brüder im Nebel“. Vergewaltiger blieben für ihn „Brüder“, die auf Irrwegen waren. Es ist bezeichnend für den Klerikalismus der Kirche, zu dem es gehört, das hohe Bild des Priesters selbst auf Kosten anderer Menschen zu schützen. Nein, es sind keine verirrten „Brüder“, sondern Sexualstraftäter, die Menschen Leid angetan haben.
Das Missbrauchsgutachten ist ein wichtiger Schritt, ein erster von vielen wichtigen. Denn wer Aufklärung wirklich will, muss glaubhaft machen, endlich auch die systemischen Ursachen von Missbrauch in der Kirche abstellen zu wollen. Es geht um eine Institution der Intransparenz, um klerikale Hierarchie, um Sexualmoral. Gutachten sind kein Schlusspunkt. Die Aufklärung hat gerade erst begonnen.