Nachhaltigkeit muss erklärt und genau definiert werden
Jenseits von Corona beschäftigt ein Thema die Gesellschaft und mit ihr auch die Finanzbranche und die Anleger: Nachhaltigkeit. Dass dahinter mehr als ein Modewort steckt, zeigen die Diskussionen beim RP-Finanzforum „Unabhängige Vermögensverwalter“.
Nachhaltigkeit ist im Finanzsektor und in der Geldanlage kein Thema mehr, über das man am Rande spricht. Nachhaltige Investments haben die 100-Milliarden-Grenze geknackt, erklärt Jens Hartmann (ficon). „Das wird zum neuen Standard.“Ficon habe deswegen einen entsprechenden Fonds aufgelegt, der neben einen Dividendenansatz auch die Nachhaltigkeitskriterien mit berücksichtigt. Allerdings sei das Thema politisch durchgedrückt worden, gibt Thomas F. Seppi (FPM) zu bedenken.
„Das Thema Nachhaltigkeit steht nicht nur für den Aspekt ‚Klima und Umwelt`“, betont Kathrin Eichler. „Unsere Kunden achten insbesondere auch auf gesellschaftspolitisch verantwortliches Handeln der Unternehmen, in die wir investieren, und dies generationenübergreifend.“Darüber hinaus sollte man auch im eigenen Unternehmen nachhaltig arbeiten und diese Kriterien vorleben, nur dann sei man ein authentischer Gesprächspartner.
Künftig müssen eben auch Vermögensverwalter aktiv berichten, wie sie Nachhaltigkeitskriterien umsetzen. Dabei geht es meist um die ESG-Kriterien (Environment, Social, Governance, also Umwelt, Soziales und regelkonforme Unternehmensführung). Seppi befürchtet, dass einige Fonds einfach nur umgewidmet werden, aber letztlich das Gleiche wie bisher enthalten. „Wir starten hingegen einen Green-Deal-Fonds: Wenn die ESG-Kriterien greifen, muss es Unternehmen geben, die helfen, die Welt besser zu machen und die von ESG profitieren.“
Früher habe bei Fonds die Frage nach der Performance im Vordergrund gestanden, hat Andreas Gessinger (Universal-Investment) beobachtet. Das sei aktuell nicht mehr alleine entscheidend. „Heute wird nahezu jeder zweite neue Fonds unter Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsaspekten aufgelegt und verwaltet. Daneben achten Fondsinitiatoren verstärkt darauf, ein Nachhaltigkeitslabel zu bekommen.“
Die Politik habe sich das Thema auf die Fahnen geschrieben, fügt Alrik Haug (Reuss) hinzu, „die meinen das ernst“. Nun stehe und falle in der Finanzbranche alles mit der Definition der Ansprüche an Finanzinstrumente, in die die Anleger investieren können.
Kunden wünschen sich nachhaltige Anlagen, merkt Nicolas Pilz (Societas) an. „Sie fassen Nachhaltigkeit häufig sehr eng, oft ist ihnen aber nicht bewusst, was die Finanzprodukte hier tatsächlich enthalten.“Da viele Fonds heute das Nachhaltigkeitslabel führen, sieht Pilz eine wichtige Aufgabe darin, die Inhalte zu erklären. Er sieht genau darin derzeit noch einen Wettbewerbsvorteil für die UnabhängigenVermögensverwalter, die das Thema individuell für ihre
Kunden umsetzen und nicht standardisiert vorgehen.
Gerade der jüngeren Generation sei das Thema wichtig, fügt Hartmann hinzu. Wobei viele Menschen vor allem auf das E (Umwelt) achten, Unternehmen sich hingegen auch intensiv mit den S- (Sozial-) und G- (Governance-) Kriterien beschäftigen. Hartmann sucht insbesondere nach Unternehmen, die glaubhaft und messbar darstellen, hier auf allen drei Nachhaltigkeitsfeldern aktiv auf einem guten Weg zu sein.
Dr. Norbert Hagen (ICM) weist auf eine Problematik bei großen Indizes hin: So enthalte zum Beispiel der MSCI-ESG-Index 95 Prozent der Unternehmen, die auch im allgemeinenWeltindex enthalten sind. Auch Staatsanleihen würden als grün gelten – „aber mit welcher Berechtigung?“. Unter IT-Werten sei der ESG-Anteil ebenso sehr hoch. Dabei enthalte die Technik viele Schwermetalle. Einiges sei hier „einfach nicht logisch“, kritisiert Hagen.
„Der Trend ist nicht aufzuhalten. Das wird aber gerade auch als ein starkes Marketing-Thema benutzt“, meint Hans-Jürgen Röwekamp (LAIC) dazu. „Wir müssen die Qualität der Investments intensiv prüfen und uns daran messen lassen.“So könne der Qualitätsprozess in der Auswahl als Differenzierungsmerkmal für die Vermögensverwaltung genutzt werden. LAIC habe daher eine Kooperation mit demWWF geschlossen und betreibe die Auswahl der Investments über ein eigenes Research (Score Card).
Ganz anders sieht es nach Darstellung von Christoph Grote (KFM) im deutschen Mittelstand aus. „Viele Unternehmen arbeiten hier bereits seit Generationen nachhaltig.“Mit einem breit gestreuten Portfolio aus Anleihen aus diesem Bereich lässt sich in diesem Segment die Suche nach attraktiven Zinserträgen – auf die zum Beispiel auch Stiftungen angewiesen sind – sehr gut mit dem wachsenden Anlegerinteresse im Bereich der Nachhaltigkeit kombinieren.
Die Diskussion um die Standards für nachhaltige Investments hat auch der Verband unabhängiger Vermögensverwalter (VuV) aufgegriffen. „Der Verband arbeitet daran, für die Unabhängigen Vermögensverwalter Standards zu definieren, sagt Michael Gillessen (Pro BoutiquenFonds) und lädt interessierte Vermögensverwalter ein: „In den Arbeitskreisen sind neue Teilnehmer willkommen.“