Medikamente im Wasser der Itter
In vielen Düsseldorfer Gewässern sind pharmazeutische Rückstände nachweisbar. Besonders stark ist die Itter betroffen. Ein Grund für die Kontamination ist die falsche Entsorgung alter Medikamente.
Fünf mal mehr pharmazeutische Rückstände als in anderen städtischen Gewässern wurden nachgewiesen. Grund sind Klärwerk-Abwässer.
DÜSSELDORF Durch die bessere medizinische Versorgung wird die Lebenserwartung immer höher. Was aus Sicht der Bevölkerung eine positive Entwicklung ist, stellt die Klärwerke vor Herausforderungen. Denn mit einer hohen Lebenserwartung geht oft ein hoher Medikamentenkonsum einher: So nimmt ein Viertel der Bevölkerung dauerhaft drei oder mehr Medikamente ein. Das belastet die Grund- und Oberflächenwasser in Düsseldorf.
Bei einer aktuellen Untersuchung durch das Umweltamt wurden insgesamt 61 Wirkstoffe in den Düsseldorfer Flüssen und Bächen nachgewiesen, 32 im Grundwasser. Besonders stark ist die Itter betroffen, in der eine drei- bis fünfmal höhere Kontamination mit Hormonen, Antibiotika und Röntgenkontrastmitteln festgestellt wurde als in Anger, Düssel und Eselsbach. Ursache dafür ist, dass die Itter einen hohen Zulauf von Abwässern aus Klärwerken hat, die die pharmazeutischen Stoffe nicht vollständig filtern können. Ein Teil der Rückstände lässt sich auf eine Ausscheidung durch die Patienten nach der Einnahme zurückführen, aber auch eine unsachgemäße Entsorgung von alten Medikamenten über den Abfluss oder die Toilette machen den Klärwerken zu schaffen.
Die Medikamentenbelastung der Gewässer bleibt nicht folgenlos. Die wichtigste Nachricht für Verbraucher ist jedoch: „Durch das Trinkwasser geht keine Gesundheitsgefahr aus“, wie Holger Stark erklärt. Er ist Professor für pharmazeutische und medizinische Chemie an der Heinrich-Heine-Universität. Das
Trinkwasser sei das am besten überwachte Nahrungsmittel und werde entsprechend gut gefiltert. Darüber hinaus ist den Gewässern die Konzentrationder nachgewiesenen Stoffe relativ gering und beschränkt sich auf wenige Mikrogramm pro Liter. „Bei der Menge von Antiepileptika, die im Wasser nachweisbar sind, müsste man 5000 Jahre lang täglich zwei Liter trinken, um auf eine normale Dosierung eines Patienten zu kommen“, berichtet Stark. Auch in der Forschung gibt es bislang keine Hinweise, dass ein Medikament in dieser geringen Dosis Einfluss auf die Gesundheit hat. Unbelegt ist dagegen, ob es zwischen den einzelnen Wirkstoffen in den Gewässern zuWechselwirkungen kommen kann, die die Gesundheit beeinflussen könnten. „Das muss noch erforscht werden“, so Stark.
Anders sieht es dagegen bei der Ökologie der Gewässer aus, die auch durch kleine Mengen von Pharmazeutika beeinflusst werden kann. So besteht zum Beispiel bei Fischen die Gefahr, dass mit einer dauerhaften Aufnahme von Hormonen und anderen Medikamentenrückständen die Fruchtbarkeit abnimmt. Zudem bleiben einige der Stoffe im Körper der Fische nachweisbar und könnten somit über Umwege von anderen Tieren oder auch Menschen aufgenommen werden. Bei Pflanzen konnten dagegen bislang keine Veränderungen festgestellt werden. Darüber hinaus könnten Rückstände von Antibiotika Resistenzen von Bakterien fördern.
Auch wenn von der Belastung der Gewässer aktuell keine Gesundheitsgefahr für Menschen ausgeht, könnte sich das in Zukunft jedoch ändern. „Man muss das auf jeden Fall beobachten“, sagt Holger Stark. Nimmt die Menge der Pharmazeutika zu, könnte die Aufbereitung des Trinkwassers aufwendiger und damit auch kostspieliger werden, was wiederum Auswirkungen auf die Verbraucherkosten haben würde. Selbiges gilt für die Abwasserentsorgung. Um Medikamentenrückstände besser zu filtern, könnten Klärwerke um eine vierte Reinigungsstufe erweitert werden. Das würde für jedes Klärwerk einen zweistelligen Millionenbetrag
kosten, sodass mit deutlich höheren Abwasserkosten zu rechnen wäre. Auch eine separate Entwässerungsanlage für Krankenhäuser könnte das Problem minimieren, wäre aber nur bei Neubauten umsetzbar und ebenfalls teuer.
Deshalb ist vor allem wichtig, dass vermeidbare Belastungen durch unsachgemäße Entsorgung verhindert werden. Rund 20 Prozent der verschriebenen Medikamente bleiben im Schnitt nach Ende der Einnahme übrig. Statt diese in den Ausguss zu geben, müssen sie je nach Präparat über den Restmüll oder direkt bei den Apotheken entsorgt werden. Dieses Problem hat auch die Politik erkannt. In der vergangenen Sitzung des Umweltausschusses plädierten die Mitglieder für eine Informationskampagne für Verbraucher. Das ist bei der Stadt auch bereits geplant. Zusammen mit den Stadtwerken will man die Bevölkerung, aber auch Ärzte und Apotheker aufklären. Ein ähnliches Vorhaben in Essen hat in diesem Jahr zumindest einen kleinen Erfolg erzielt. Wussten vorher nur 12,9 Prozent der Einwohner, wie Medikamente richtig entsorgt werden, waren es nach der Informationskampagne zumindest 20,7 Prozent.