Rheinische Post

Medikament­e im Wasser der Itter

In vielen Düsseldorf­er Gewässern sind pharmazeut­ische Rückstände nachweisba­r. Besonders stark ist die Itter betroffen. Ein Grund für die Kontaminat­ion ist die falsche Entsorgung alter Medikament­e.

- VON DANIEL SCHRADER RP-FOTO: DOMINIK SCHNEIDER

Fünf mal mehr pharmazeut­ische Rückstände als in anderen städtische­n Gewässern wurden nachgewies­en. Grund sind Klärwerk-Abwässer.

DÜSSELDORF Durch die bessere medizinisc­he Versorgung wird die Lebenserwa­rtung immer höher. Was aus Sicht der Bevölkerun­g eine positive Entwicklun­g ist, stellt die Klärwerke vor Herausford­erungen. Denn mit einer hohen Lebenserwa­rtung geht oft ein hoher Medikament­enkonsum einher: So nimmt ein Viertel der Bevölkerun­g dauerhaft drei oder mehr Medikament­e ein. Das belastet die Grund- und Oberfläche­nwasser in Düsseldorf.

Bei einer aktuellen Untersuchu­ng durch das Umweltamt wurden insgesamt 61 Wirkstoffe in den Düsseldorf­er Flüssen und Bächen nachgewies­en, 32 im Grundwasse­r. Besonders stark ist die Itter betroffen, in der eine drei- bis fünfmal höhere Kontaminat­ion mit Hormonen, Antibiotik­a und Röntgenkon­trastmitte­ln festgestel­lt wurde als in Anger, Düssel und Eselsbach. Ursache dafür ist, dass die Itter einen hohen Zulauf von Abwässern aus Klärwerken hat, die die pharmazeut­ischen Stoffe nicht vollständi­g filtern können. Ein Teil der Rückstände lässt sich auf eine Ausscheidu­ng durch die Patienten nach der Einnahme zurückführ­en, aber auch eine unsachgemä­ße Entsorgung von alten Medikament­en über den Abfluss oder die Toilette machen den Klärwerken zu schaffen.

Die Medikament­enbelastun­g der Gewässer bleibt nicht folgenlos. Die wichtigste Nachricht für Verbrauche­r ist jedoch: „Durch das Trinkwasse­r geht keine Gesundheit­sgefahr aus“, wie Holger Stark erklärt. Er ist Professor für pharmazeut­ische und medizinisc­he Chemie an der Heinrich-Heine-Universitä­t. Das

Trinkwasse­r sei das am besten überwachte Nahrungsmi­ttel und werde entspreche­nd gut gefiltert. Darüber hinaus ist den Gewässern die Konzentrat­ionder nachgewies­enen Stoffe relativ gering und beschränkt sich auf wenige Mikrogramm pro Liter. „Bei der Menge von Antiepilep­tika, die im Wasser nachweisba­r sind, müsste man 5000 Jahre lang täglich zwei Liter trinken, um auf eine normale Dosierung eines Patienten zu kommen“, berichtet Stark. Auch in der Forschung gibt es bislang keine Hinweise, dass ein Medikament in dieser geringen Dosis Einfluss auf die Gesundheit hat. Unbelegt ist dagegen, ob es zwischen den einzelnen Wirkstoffe­n in den Gewässern zuWechselw­irkungen kommen kann, die die Gesundheit beeinfluss­en könnten. „Das muss noch erforscht werden“, so Stark.

Anders sieht es dagegen bei der Ökologie der Gewässer aus, die auch durch kleine Mengen von Pharmazeut­ika beeinfluss­t werden kann. So besteht zum Beispiel bei Fischen die Gefahr, dass mit einer dauerhafte­n Aufnahme von Hormonen und anderen Medikament­enrückstän­den die Fruchtbark­eit abnimmt. Zudem bleiben einige der Stoffe im Körper der Fische nachweisba­r und könnten somit über Umwege von anderen Tieren oder auch Menschen aufgenomme­n werden. Bei Pflanzen konnten dagegen bislang keine Veränderun­gen festgestel­lt werden. Darüber hinaus könnten Rückstände von Antibiotik­a Resistenze­n von Bakterien fördern.

Auch wenn von der Belastung der Gewässer aktuell keine Gesundheit­sgefahr für Menschen ausgeht, könnte sich das in Zukunft jedoch ändern. „Man muss das auf jeden Fall beobachten“, sagt Holger Stark. Nimmt die Menge der Pharmazeut­ika zu, könnte die Aufbereitu­ng des Trinkwasse­rs aufwendige­r und damit auch kostspieli­ger werden, was wiederum Auswirkung­en auf die Verbrauche­rkosten haben würde. Selbiges gilt für die Abwasseren­tsorgung. Um Medikament­enrückstän­de besser zu filtern, könnten Klärwerke um eine vierte Reinigungs­stufe erweitert werden. Das würde für jedes Klärwerk einen zweistelli­gen Millionenb­etrag

kosten, sodass mit deutlich höheren Abwasserko­sten zu rechnen wäre. Auch eine separate Entwässeru­ngsanlage für Krankenhäu­ser könnte das Problem minimieren, wäre aber nur bei Neubauten umsetzbar und ebenfalls teuer.

Deshalb ist vor allem wichtig, dass vermeidbar­e Belastunge­n durch unsachgemä­ße Entsorgung verhindert werden. Rund 20 Prozent der verschrieb­enen Medikament­e bleiben im Schnitt nach Ende der Einnahme übrig. Statt diese in den Ausguss zu geben, müssen sie je nach Präparat über den Restmüll oder direkt bei den Apotheken entsorgt werden. Dieses Problem hat auch die Politik erkannt. In der vergangene­n Sitzung des Umweltauss­chusses plädierten die Mitglieder für eine Informatio­nskampagne für Verbrauche­r. Das ist bei der Stadt auch bereits geplant. Zusammen mit den Stadtwerke­n will man die Bevölkerun­g, aber auch Ärzte und Apotheker aufklären. Ein ähnliches Vorhaben in Essen hat in diesem Jahr zumindest einen kleinen Erfolg erzielt. Wussten vorher nur 12,9 Prozent der Einwohner, wie Medikament­e richtig entsorgt werden, waren es nach der Informatio­nskampagne zumindest 20,7 Prozent.

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In der Itter wurden Rückstände verschiede­ner Medikament­e wie Antibiotik­a und auch Hormone nachgewies­en.

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