Zu wenig Corona-Tests in Pflegeheimen
Bewohner und Pfleger müssten viel häufiger und schneller auf Corona getestet werden, fordern Verbände und Träger in einer Umfrage unserer Redaktion. Das würde die Sicherheit in den Heimen erhöhen.
DÜSSELDORF Frank Johannes Hensel, Vorsitzender der Landesarbeitsgemeinschaft der FreienWohlfahrtspflege NRW, ärgert sich derzeit über Menschen, die in der Corona-Krise versuchen, die Not der Seniorenheime auszunutzen, insbesondere wenn es um Schutzmasken und entsprechende Kleidung geht. „Leider gibt es etliche unseriöse Angebote von zweifelhafter Qualität. Täglich sind Handyanrufe von dubiosen Händlern, die das Blaue vom Himmel versprechen, oder Mailangebote über Schutzmasken mit offensichtlich gefälschten Zertifikaten zu verzeichnen“, sagt Hensel, der aktuell für rund 1330 stationäre Einrichtungen der Altenhilfe spricht. Das würde die Mitarbeiter in den Heimen viel Kraft kosten.
In Seniorenheimen sind bundesund landesweit seit Beginn der Pandemie bereits Dutzende Bewohner an Covid-19 gestorben; täglich melden die Einrichtungen neue Fälle. Erst am Freitag gab ein Kölner Heim vier Todesfälle bekannt. Eine exklusive Umfrage unserer Redaktion unter den landes- und bundesweit führenden Verbänden, Trägern und Einrichtungen in der Alten- und Behindertenbetreuung fördert zu Tage, wie sehr die Einrichtungen unter der Corona-Pandemie zu leiden und womit sie zu kämpfen haben.
Grundsätzlich fehlt es in den Seniorenunterkünften bei weitem mehr als nur an Schutzkleidung. Bereits die ganz normale Alltagsgestaltung der Bewohner bereitet große Sorgen. „Wir vermissen einfach Veranstaltungen wie etwa ein Konzert vor dem Außenbereich, das nicht mehr stattfindet“, sagt Andreas Brockmann, Sprecher des Deutschen Roten Kreuzes (DRK). Persönliche Zuwendungen und Kontakte zu Angehörigen, alles, was in den Bereich der sozialen Nähe gehen würde, werde zurzeit zurückgefahren. „Gruppenangebote sind eingestellt worden, es fehlt an Kontakt mit den engsten Vertrauten der Bewohnerinnen und Bewohner“, sagt Brockmann. Die Gefahren für die Psyche dürften auf keinen Fall unterschätzt werden, bestätigt Normen Dorloff, Geschäftsführer der Awo-Seniorendienste Niederrhein.
Um der Vereinsamung entgegenzuwirken, fordert Hensel einen Ausbau digitaler Angebote in den Einrichtungen. „Ein klarer Verbesserungsbedarf liegt in der vielerorts noch zu schwachen Ausstattung mit digitaler Kommunikationstechnik. Sie schafft es, manche Besuchseinschränkungen und -verbote technisch zu überbrücken“, sagt der
Vorsitzende der Landesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege NRW. „Unkomplizierte Kontaktmöglichkeiten per Video oder Chat in allen Zimmern wären eine große Hilfe und ein Segen für viele. Wir brauchen einen Digitalpakt mit der Politik, um hier deutlich voran zu kommen“, so Hensel.
Landesweit klagen die Einrichtungen über zu wenige Testmöglichkeiten. Nach Auffassung des Verbandes der Ersatzkassen (vdek) wäre es sinnvoll, die Pflegekräfte wie die anderen herausgehobenen Berufsgruppen vorrangig zu testen. Ein erster Schritt in diese Richtung wird in NRW zum Beispiel ab der kommenden Woche in einem neu errichteten Testzentrum in Dortmund realisiert. Dort wird medizinisches Personal bevorzugt getestet. Die Abstriche werden als Eilaufträge an die Labore zur Auswertung geschickt. „Aber auch Tests bei neu aufzunehmenden Pflegeheimbewohnern vor deren Einzug würden den Gesundheitsschutz in den Pflegeeinrichtungen verbessern“, sagt vdek-Referatsleiterin Sigrid Averesch-Tietz von der Landesvertretung Nordrhein-Westfalen.
Wiederholte Tests des Pflegepersonals wären schon deshalb notwendig, weil positiv Getestete dann zeitig vom Betrieb fernbleiben könnten, sagt der Vorsitzende der Landesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege. „Ebenso wünschen wir uns, dass mehr Bewohnerinnen und Bewohner getestet würden, um gezielter isolieren zu können. Die Klarheit durch Corona-Tests gibt Handlungsorientierung“, so Hensel weiter. „Tatsächlich haben Pflegekräfte ein Recht darauf, sich testen zu lassen, sobald sie Symptome haben. Aber das wird von Kreis zu Kreis unterschiedlich gehandhabt.“Und Jens Ofiera vom Verband Deutscher- Alten- Und Behindertenhilfe sagt: „Insbesondere bei Bewohnern, die nach ihrer Entlassung aus dem Krankenhaus in die Einrichtung zurückkehren, ist ein Test zwingend erforderlich.“
Ein erfreuliches Ergebnis der Umfrage: Trotz der angespannten Lage haben sich die meisten Bewohner offenbar mit der neuen Situation arrangiert. „Die überwiegende Anzahl verhält sich ausgesprochen ruhig, gelassen und situationsangepasst“, sagt Andreas Brockmann vom DRK. Es sei schon erstaunlich, wenn eine Bewohnerin nach fünf Tagen in Quarantäne sagen würde, sie fühle sich mit dem Zimmerservice wie im Hotel. Eine Bewohnerin habe erst kürzlich zu ihm gesagt: „Wenn eine Generation weiß, was eine Krise bedeutet, dann wohl diese.“
Das kann auch der Geschäftsführer der Awo-Senioreneinrichtungen am Niederrhein nur bestätigen.„Die Generation ist außerdem in der Regel sehr genügsam und hat große Krisen- und Kriegserfahrungen.“