Promis, Träume und Superyachten: das erste Wochenende auf der „Boot“
Vom Tellerwäscher bis zum Millionär – auf der Wassersportmesse findet wirklich jeder etwas. Und seien es nur unerfüllte Träume.
„Papa, sind 300.000 Euro viel?“, fragt ein kleiner Junge. Sein Vater hört ihn nicht, er betrachtet gerade den Hermes Speedster – ein Boot, das so aussieht, als hätte Porsche ein Amphibienfahrzeug gebaut. James Bond wäre sich nicht zu schade, damit durch Venedig zu jagen.
007 ist nicht zu sehen – Geheimagenten bekommen ihre Boote wahrscheinlich vom Arbeitgeber gestellt. Ansonsten sind aber alle da: die, die sich problemlos einen Speedster zu Ostern schenken könnten (weil er gut zum Zweitwagen passt) – und die, die ihr Leben lang Speedstern mit offenem Mund hinterherschauen werden. Auf der „Boot“werden auchYacht-Deals im Millionenwert klargemacht. Aber für das Gros der Besucher ist sie ein Ort zum Träumen.
Wer in eine der riesigen Luxusyachten hineinwill, muss sich an den meisten Ständen einen Termin holen. Der komplizierte Teil seines Jobs, verrät der Booker einer französischen Werft, sei, abzuschätzen, wer tatsächlich einmal eine Yacht kaufen werde und wer nur mal gucken wolle. Denn nur einer von 100 ist wirklich ein Kunde. Ihn gilt es, ausgiebiger herumzuführen und vielleicht mit einem Glas Wein und ein paar edlen Nüsschen zu bewirten.Wer keinen Termin hat, darf eine Treppe hinaufsteigen und durchs Außenfenster der Yacht ins Innere schauen, wo sich die Auserwählten auf den Lederpolstern fläzen. Es ist ein bisschen wie im Zoo.
Bei Sirius darf man dagegen auch ohne Termin in dieYachten und trifft drinnen einen entspannt wirkenden Mann, der sich nach kurzem Zögern als glücklicher Besitzer dieses Schiffs zu erkennen gibt. Vor zwei Jahren hat der 63-jährige Arzt den Auftrag bei Sirius platziert, davor hat er lange recherchiert. In drei Wochen ist nun Einweisung. Seine neue Yacht hat drei Schlafräume, zwei Badezimmer, eine gut ausgestattete Küche, Solarzellen und einen Dieselmotor, eine Waschmaschine und ein Teakholz-Interieur. All das hat er sich so ausgesucht. „So ein Boot wollte ich schon immer“, sagt er, „meine Frau wusste das auch“. 800.000 Euro hat er in etwa bezahlt.
Thomas Happ und Philipp Fischer werden für ihr nächstes Boot in etwa ein Tausendstel ausgeben. Für 60 Euro haben die beiden Wiener im Internet einen USB-Stick gekauft, darauf sind die Pläne für ein Do-it-yourself-Holzboot. „Vielleicht können wir ja die Teile für Sie herstellen“, sagt Henrikas Petrauskas halb im Scherz, „in Litauen sind die Lohnkosten niedrig“. Happ und Fischer bewundern nämlich gerade ein kleines Holzboot aus dem Jahr 1928, das die Memel-Werft aus Litauen restaurieren will. Petrauskas ist Projektleiter. „Nein, nein, der Spaß liegt ja im Selbermachen“, wehrt Happ ab. Aber ein bisschen interessiert an so einer Windschutzscheibe, die das restaurierte Boot einmal haben wird, ist er schon.
Wo große Namen fallen, ist der Andrang besonders heftig. Der japanische Maschinenbauer Yanmar präsentiert eine neue Yacht, die beim diesjährigen America's Cup als offizieller VIP-Cruiser fungieren wird. Damit möglichst viele Journalisten zuhören, hat Yanmar einen „alten Becher“eingeflogen: den Original-Pokal des America's Cup, auch „auld mug“genannt. Die über 170 Jahre alte Trophäe (angeblich der älteste Sport-Pokal der Welt) wird von drei bulligen Männern aus einem Lederkoffer geschält und dann ungefähr tausend Mal fotografiert.
Der andere große Name des Sonntags ist Hannes Jaenicke, der eine
Pressekonferenz mit der Organisation Shark Projekt gibt. Der Schauspieler setzt sich dafür ein, dass die EU den Handel mit Haifischflossen verbietet. In Asien werden hohe Preise für die Flossen bezahlt, weswegen laut Shark Projekt europäische Fischer jedes Jahr Millionen von Haien töten. „Die schamlose Untätigkeit der Politik ist peinlich“, schimpft Jaenicke. Und dann sagt er noch, dass Steven Spielberg sich für „Der weiße Hai“mal entschuldigen solle.
Ab Februar läuft ein Bürgerbegehren für eine entsprechende Geset
zesinitiative. Unterschreiben eine Million EU-Bürger, muss sich die Politik damit befassen. Was kann man sonst noch tun? „Weniger Fisch essen“, sagt Vegetarier Jaenicke knallhart.
Wolfram Koch von Shark Project sagt, wer Wassersport möge, müsse ein Interesse an gesunden Ozeanen haben. „Bei den Tauchern haben wir es schon geschafft, bei den Bootsbesitzern geht es langsam los.“Ein bisschen Umweltbewusstsein ist also das mindeste, was man von der„Boot“mitnehmen kann – wenn schon keinen Hermes Speedster.