Düsseldorfer Tafel sucht eine neue Bleibe
Seit 25 Jahren verteilen die Ehrenamtler Lebensmittel an Bedürftige. Sorgen machen sie sich über eine neue Unterkunft.
Jeden Morgen um 8 Uhr treffen sich gut ein Dutzend Ehrenamtler mit den Organisatoren der Tafel im Büro an der Völklinger Straße erst einmal zur Kaffeerunde. „Da besprechen wir die Route“, sagt Heike Vongehr, Gründerin und Vorsitzende der Düsseldorfer Tafel. Dann steigen Fahrer und Helfer in die fünf Sprinter und fahren Supermärkte und Bäckereien ab, um Lebensmittel einzusammeln. Keine schlechte Ware, sondern „alles, was wir selbst essen können“. So kommen pro Tag rund fünf Tonnen zusammen, die anschließend an die neun Lebensmittel-Ausgabestellen, drei Tagesstätten, Suppenküchen, Nachtunterkünfte und die Heilsarmee verteilt werden.
„Wir versorgen wöchentlich rund 8000 Bedürftige“, sagt Vorstandsmitglied Eva Fischer. Außerdem finanziert der Verein Kinder aus einkommensschwachen Familien das Schulmittagessen. Als Heike Vongehr und ihre Stellvertreterin im Vorstand, Monika Lenz, die Düsseldorfer Tafel gründeten, war diese eine der ersten der Republik. Die Frauen nutzten damals noch ihre privaten Autos, „und wir waren voll glücklich, wenn der Kofferraum bis oben hin gefüllt war“, erinnert sich Monika Lenz. Das war vor 25 Jahren. Einen Lagerraum gab es noch nicht, und als Büro diente ein kleines Arbeitszimmer Im Haus von Vongehr. Die Damen – insgesamt sieben Vereinsmitglieder – sind damals zu den Obdachlosen gefahren und haben sie mit Lebensmitteln versorgt.
Angeblich würde es den Obdachlosen an nichts fehlen, hieß es damals, „doch ein Sozialarbeiter hat mir gesagt, ich soll das ruhig machen“, sagt dieVorsitzende.Vongehr sprach als erstes Bäcker Josef Hinkel an und fragte ihn, ob er mitmachen wolle. „Er hat sofort zugesagt“, erklärt Vongehr. Heute sind es zahlreiche Bäckereien, die die Tafel unterstützen – ob Puppe, Paas, Schüren, Terbuyken oder Oehme, um nur einige zu nennen. Und dort bleibt immer viel übrig, „schließlich müssen auch abends um sechs Uhr die Regale noch voll sein“, sagt Eva Fischer. „Wir geben doch gerne die Dinge, die übrig geblieben sind. Uns macht es Freude, etwas Gutes zu tun“, meint Bäckermeister Thomas Puppe.
Vor 25 Jahren sind Lenz und Vongehr morgens um 5 Uhr zum Großmarkt gefahren und haben ihre Autos voll gepackt. Heute fahren die Ehrenamtler die Supermärkte ab, und dort stehen am Morgen schon die Kisten für den Abtransport bereit. Organisation ist eben alles.
Rund 60 Ehrenamtler, hauptsächlich Männer im Rentenalter, arbeiten für die Tafel. Einer von ihnen ist Karl Mock. Der 82-Jährige ist seit 20 Jahren dabei und kommt jeden Freitag zum Lager an derVölklinger Straße und reinigt dort die fünf Autos von innen.
„Früher haben wir auch Zivis und später Bufdis gehabt“, sagt Monika Lenz und hofft, dass sie wieder junge Leute zugewiesen bekämen.„Wir sind zwar ein eingespieltes Team, aber junge Leute tun uns allen gut“, meint sie lächelnd.
Die Anfangszeit sei nicht ganz einfach gewesen, meinen die beiden Gründungsmitglieder. „Wir waren ja schließlich nur Frauen, und die Obdachlosen fast nur Männer. Und plötzlich standen wir bei ihnen vor der Tür“, erinnern sie sich. Anfangs mit Skepsis. Doch schon bald gab es Akzeptanz.„Auf Euch ist Verlass“, hieß es von den Männern. Ein Kompliment.
Mit der Zeit ist die Tafel deutlich gewachsen und der Vorstand bekam zunächst ein Büro in der Weißen Siedlung in Golzheim, bis die Tafel an die Völklinger Straße nach Unterbilk zog. Dort haben sie ein großes Büro und ein Lager, das ihnen damals die Firma Ford Seidel zu Verfügung stellte. Hier sind sie eigentlich mit ihrer Unterkunft zufrieden.„Doch wir haben große Bauchschmerzen“, sagt Vongehr. „Uns steht die Panik im Nacken, denn der Komplex wird abgerissen.“Das weiß der Vorstand seit zwei Jahren, „aber wir finden nichts Geeignetes“, sagt Eva Fischer. Denn die Tafel benötigt dringend ein Büro und ein Lager in einer Größe von 250 bis 300 Quadratmeter sowie Stellplätze für die Lieferwagen. „und das Ganze in zentraler Lage“, sagen die Damen unisono.
Denn heute sind es nicht nur die
Obdachlosen, die die Hilfe der Tafel benötigen. Da sind durch die Flüchtlingssituation viele Asylbewerber hinzugekommen, und der Anteil der Senioren ist von Jahr zu Jahr höher geworden.„Die Altersarmut ist ein Problem, das auch wir spüren“, sagt Fischer.
Sie sieht es als Aufgabe der Tafel an, den Bedürftigen zu helfen.„Und da sind wir auf Spenden angewiesen, denn wir sind hundertprozentig spendenfinanziert“, fügt Monika Lenz in ihrer Funktion als Schatzmeisterin hinzu, schließlich müssten laufende Kosten unter anderem für die Miete und die Autos bezahlt werden.
Und wenn am Sonntag der 25. Geburtstag im Theater an der Kö ansteht, dann sprechen die Damen nicht vom Feiern. „Wir begehen den Geburtstag, denn es gibt keinen Grund zum Feiern“, sagt Eva Fischer. Und sie ergänzt: „Wir sind die Brücke zwischen Überfluss auf der einen und Mangel auf der anderen Seite.“
Die Düsseldorfer Tafel bezeichnet sie als den „größten Lebenmittel-Retter Düsseldorfs.“Und der Wunsch der drei Frauen ist es, dass sie überflüssig werden, weil es keine Bedürftigen mehr gibt.